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Clouston: „Keine großen Veränderungen, sondern Feintuning.“

KEC-Headcoach Cory Clouston im Gespräch mit Johannes Salmonsson - Foto: Steffen Thaut

Die Aufregung der Playoffs hat sich für die Kölner Haie gelegt. Zeit also für den Kölner Headcoach ein Resümee der abgelaufenen Saison zu ziehen und einen Blick nach vorne zu werfen. Cory Clouston erklärt, was alles gut war, an welchen Stellschrauben der KEC drehen will und in welche Richtung man mit der Mannschaft möchte. In all der Analyse und Aufarbeitung der vergangenen Monate bleibt aber auch Raum für ein bisschen Sentimentalität.

Für den Headcoach selbst hat es einen Vertrag über ein Jahr gegeben. Auf unsere Nachfrage, ob Mark Mahon oder er selbst hier Vorsicht bei der Laufzeit walten ließ, meint Clouston: „Vielleicht wir beide? Vielleicht wir beide.“ Was nach der Saison 2016/17 passiert, ist schlicht noch offen. „Wir haben schon darüber gesprochen, wie es über die kommende Saison hinaus aussehen wird“, erläutert Clouston dann. „Die Laufzeit schließt keinesfalls die Tür für irgendwas. Es gibt uns nur ein bisschen mehr Zeit um zu sehen, wie sich die Dinge entwickeln.“

Dass er mit der Mannschaft für eine volle Saison anders umgeht als bei seinem jetzigen Einstieg spät in der Saison, schließt Clouston aus. „Ich bin, wie ich bin. Wahrscheinlich bin ich nicht mehr der gleiche Mensch wie vor fünf oder zehn Jahren. Jeder Mensch verändert sich, und man entwickelt sich als Persönlichkeit und als Coach. Unterschiedliche Teams benötigen unterschiedliche Ansprachen. Ich glaube, ich bin klug genug um zu wissen, wie man mit Spielern umgehen muss. Ich verhalte mich nicht jedem Spieler gegenüber gleich. Ich bin auch definitiv nicht jeder Mannschaft gegenüber gleich. Man muss sich dem jeweiligen Team anpassen. Die Spieler und wir Coaches haben hier eine Kommunikation etabliert, mit der sich alle wirklich wohlfühlen. Es wird keinen Grund geben, daran etwas zu ändern“, erklärt er.

In seinem Rückblick auf die abgelaufene Saison schwingt auch ein bisschen Wehmut mit. „Die Jungs liegen mir am Herzen. Wenn eine Gruppe von Jungs so reagiert, wie diese Mannschaft hier reagiert hat, dann muss man sie einfach ins Herz schließen. Sie haben alles getan, was ich von ihnen verlangt habe. Mir liegen die Jungs am Herzen, die kommende Saison wieder hier sein werden, und ich werde die Jungs vermissen, die nicht zurückkommen. Es macht Spaß, mit dieser Truppe zu arbeiten. Deswegen freue ich mich umso mehr darauf, nächste Saison wieder hier zu sein“, so Clouston.

Gegen die Kritik in der Presse an den Spielern wehrte sich Clouston nicht nur direkt nach dem Halbfinal-Aus. Auch am runden Tisch am vergangenen Montag mit den betreffenden Medienvertretern legte er noch einmal nach und mahnt eine realistische Erwartungshaltung an.

„Ich habe immer das Beste in den Jungs gesehen. In jedem einzelnen und als Team. Es gab natürlich ein paar Höhen und Tiefen. Das passiert nun mal“, unterstreicht Clouston. „Wenn jemand meint, dass man jedes Spiel gewinnen muss, dann finde ich das sehr arrogant. Es gibt ein paar wirkliche gute Teams, wirklich gute Spieler und wirklich gute Coaches in dieser Liga. Wenn jemand also meint, dass man hier jedes einzelne Spiel gewinnen muss, dann ist das sehr arrogant. Es geht nicht darum, jedes Spiel zu gewinnen. Für mich ging es darum, wie die Spieler reagiert haben und sich darauf eingelassen haben, hart zu arbeiten und unser Spiel umzusetzen. Ich glaube, sie haben verstanden, in welche Richtung wir gehen wollten und sind den Weg mitgegangen. In meinen Augen sind sie zu Unrecht kritisiert worden. Die Schuld wurde immer ihnen zugeschoben. Aber es ist ein Team. Coaches, Management und Spieler müssen in allen Situationen Verantwortung übernehmen. Natürlich verteidige ich meine Spieler, wenn sie angegriffen oder attackiert werden. Es stört mich schon ein bisschen, denn sie sind meine Spieler. Sie liegen mir am Herzen. Mir war es wichtig, dass sie wissen, dass ich komplett anders über sie denke als viele andere Leute. Das ist auch etwas, das uns motivieren wird und worauf wir in der kommenden Saison aufbauen können.“

Was Clouston in der kommenden Saison unbedingt vermeiden möchte, ist die Menge an trainingsbedingten Verletzungen. Die Grundlage dafür sollen die Spieler auch schon während der Sommervorbereitung legen. „Man muss klug trainieren. Mehr ist nicht unbedingt besser. Sowohl der Kopf als auch der Körper müssen frisch sein. Wir hatten schon früh in der Saison viele Verletzungen. Sieben oder acht von den Jungs, die mit Rücken- oder Leistenproblemen zu kämpfen hatten“, erklärt er. „Das hat es im Verlauf der Saison schwierig für uns gemacht. Es geht schon darum, an der Kondition zu arbeiten. Aber es müssen auch Verletzungen ausheilen. Einige der Spieler hatten Verletzungen, bei denen wir sicherstellen müssen, dass die nicht wieder vorkommen.“

Ins Mannschaftstraining werden die Haie mit sechs Wochen Vorlauf zum Saisonstart einsteigen. „Ich bin es gewohnt, drei Wochen Mannschaftstraining vor dem Saisonauftakt zu haben. Sechs Wochen sind also mehr als genug“, so Clouston.

Die Struktur der Mannschaft, deren Zusammenstellung auf läuferischer Stärke und guter Technik basierte, will er grundsätzlich beibehalten. Es soll aber ein bisschen mehr ‚grit‘ in den Kader. „Beides ist wichtig. Ich glaube, wir müssen die Chemie und die Aufmachung des Teams nur wenig ändern“, erklärt Clouston. „Im Verlauf der Playoffs hat man einen besseren Gesamteindruck bekommen, was wir hier haben und was uns fehlt. Zwischenzeitlich war es schwierig, das Team insgesamt zu beurteilen, weil wir so viele Verletzungsausfälle hatten. Wir haben gegen Mannschaften gespielt, die ihre komplette Bank zur Verfügung hatten. Wir mussten zwei Verteidiger im Sturm einsetzen. Einer von den beiden hat die gesamten 23 Jahre seiner Karriere als Verteidiger gespielt, und wir mussten ihn bitten, als Stürmer zu spielen. Lüde hat einen unglaublichen Job für uns gemacht. Aber die Ausfälle haben es schwer gemacht, in vollem Umfang zu beurteilen, zu was diese Mannschaft in der Lage gewesen wäre. Es ist zwar nur ein schwacher Trost, aber wir haben während der Shakehands [am Ende der Halbfinalserie] eine Menge Komplimente dafür bekommen, wie weit es das Team gebracht hat. Da hieß es, ihr könnt stolz auf euch sein. Das sind wir auch. Aber das schärft auch das Bewusstsein dafür, dass wir für kommende Saison ein paar offene Rechnungen haben.“

Was im Verlauf der Saison immer wieder durchklang, war sein Faible für gute Zwei-Wege-Spieler. Dass Dragan Umicevic dieses Profil nicht unbedingt erfüllt, könnte der Grund dafür sein, dass er keinen neuen Vertrag bei den Haien erhalten hat. Was an Neuzugängen bereits feststeht, soll laut Clouston in den kommenden Tagen und Wochen bekanntgegeben werden. Als sicher gelten die Verpflichtungen von Travis Turnbull, Kai Hospelt und T.J. Mulock. Ob Danny Syvret zur kommenden Spielzeit nach Köln zurückkehrt, hat sich der Club noch offengehalten. Der Verteidiger hatte mit gutem Spielverständnis und routiniertem Positionsspiel überzeugt. Seine läuferischen Defizite sind allerdings nicht von der Hand zu weisen. Gut möglich, dass Mahon und Clouston hier noch nach einem besseren Kandidaten Ausschau halten. Desweiteren wären dann noch zwei Positionen im Sturm zu besetzen.

Die Team-Identität soll sich durch die Ergänzungen im Kader ein wenig ändern. Auftreten und Image waren ein Thema zwischen Sportdirektor und Coach. „Darüber haben wir gesprochen. Ich glaube, unsere Mannschaft ist dicht an dem dran, wo wir hinwollen“, so Clouston. „Ich glaube, die Team-Identität hat begonnen, sich zu entwickeln und zu wachsen. Aber das ist definitiv ein Bereich, in dem wir uns verbessern wollen. Es wird nicht unbedingt in eine andere Richtung gehen. Es ist mehr eine Frage von Feintuning. Wir wollen nicht technische Fähigkeit für mehr Härte opfern. Ich glaube, man muss eine Balance zwischen beidem finden. Die besten Teams haben diese Balance zwischen physischer Härte, Charakter, technischen und läuferischen Fähigkeiten. Eine Meistermannschaft vereint alle diese Elemente in sich. Es kommt auf die Mischung an.“

Die letztjährige Mannschaft beschreibt Clouston so: „Wir hatten vielleicht ein bisschen mehr technisch versierte Spieler als harte Spieler. Wobei die Jungs hier härter waren, als man ihnen angerechnet hat. Einige haben hier mit Verletzungen gespielt, mit denen ich noch nie Spieler habe spielen sehen. Die Härte in der Mannschaft in Frage zu stellen, ist definitiv falsch. Wir wollen kommende Saison lediglich einen etwas anderen Spielstil etablieren. Wir haben aber schon sehr nah an diesem angestrebten Stil gespielt, je weiter die Saison fortgeschritten war. Ich möchte das nochmal betonen: Nur zwei Mannschaften hatten eine erfolgreichere Saison als wir.“

In ausgiebigen Gesprächen zwischen Mark Mahon und Cory Clouston sind die angestrebten Veränderungen definiert worden. „Ich bin mit Mark von der ersten Minute an im Austausch darüber gewesen, wo wir die Stärken und Schwächen im Team sehen, in welchen Punkten wir uns verbessern müssen. Wir haben darüber gesprochen, welche Positionen und Rollen wir aus unseren eigenen Reihen besetzen können und was von außen neu dazu kommen muss“, erläutert Clouston. „Wir sind uns lange nicht bei allem einig. Ich glaube, wir sind uns einig über das Gesamtkonzept, das Umfeld und die Spielkultur, die wir etablieren wollen. Aber wir haben auch unterschiedliche Ansichten, auch wenn wir uns insgesamt einig sind, wie wir spielen wollen, um eine Chance auf die Meisterschaft zu haben. Wir sind beide definitiv keine Ja-Sager. Wir vertreten beide vehement unsere Meinung. Das Tolle ist aber, dass wir uns klar und deutlich sagen können, was wir denken, ohne dass es der andere persönlich nimmt.“

Für Clouston persönlich war die abgelaufene Saison ein besonderes Erlebnis. Einen großen Anteil daran hat auch das Umfeld des KEC. Die Beliebtheit, die der Headcoach bei den Haie-Fans inzwischen genießt, ist ihm nicht entgangen, doch die nimmt er mit großer Bescheidenheit. „Das ist ziemlich cool, ja. Das ist natürlich schön. Aber das Lob muss an die Spieler gehen“, wiegelt Clouston ab. „Es ist natürlich schmeichelhaft, aber ich bin nicht auf dem Eis. Ich bin nicht da draußen, kämpfe in den Ecken oder werfe mich in Schüsse. Das tun die Jungs. Ich bin den Fans wirklich dankbar. Das ist ziemlich besonders. Es zeigt, wie leidenschaftlich sie an diesem Club hängen. Aber das Lob gebührt den Spielern. Sie sind diejenigen, die jeden Tag hart füreinander arbeiten. Ohne sie wäre das hier nicht möglich gewesen. Aber der Zuspruch der Fans ist natürlich toll. Ich hätte an keinem besseren Ort landen können, um meine Leidenschaft für das Spiel wiederzubeleben.“

Den abschließenden Applaus der Fans am Freitag bei der Saisonabschlussfeier wird Clouston verpassen. Am heutigen Mittwoch reist er bereits zurück nach Nordamerika, um sich dort ein paar Spiele anzusehen. Das Scouting nach den letzten Ergänzungen für die Mannschaft läuft auf Hochtouren weiter.

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

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3 Kommentare

  1. Alexander Jenkes
    17.04.2016

    Cory Clouston ist ein Segen für diesen Verein. Ein Trainer mit sensationellem Fachwissen, großer Empathie und klaren Vorstellungen, der wirklich hinter seinen Jungs steht, das ist das, was gebraucht wird, um Eishockey in Köln wieder erfolgreich zu machen. Hätte man uns um Weihnachten herum gesagt, dass wir ein denkbar knappes, ja dramatisches, Halbfinale spielen würden, wir hätten wahrscheinlich laut gelacht. Ich kann nur sagen: “Danke für die mördergeilen Spiele, die wir in den Playoffs sehen durften! Danke an die Spieler, den Coach, den Vorstand und die vielen, die in der Geschäftsstelle und in der Arena im Hintergrund wirken.”
    Euch und uns einen schönen Sommer und “Auf geht´s Haie” im September. Wir können´s schon jetzt kaum erwarten!

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