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Was jetzt anders läuft

Headcoach Cory Clouston und Co-Trainer Thomas Brandl - Foto: Florian Müller

Das Spiel der Kölner Haie hat in kürzester Zeit eine beeindruckende Wende vollzogen. Headcoach Cory Clouston hat es geschafft, in den wenigen Trainingseinheiten, die ihm bislang mit der Mannschaft zur Verfügung standen, zahlreiche grundlegende Veränderungen vorzunehmen. Dass seine Maßnahmen so schnell und effektiv Wirkung gezeigt haben, ist einer Kombination aus harten und weichen Faktoren geschuldet – oder besser gedankt.

„Harte“ Faktoren – konkrete taktische Änderungen

Das Spiel in der eigenen Zone hat eine Generalüberholung erfahren. Wenn die Verteidiger im eigenen Drittel in Scheibenbesitz kommen, dann sind alle Stürmer so weit zurück, dass es im Optimalfall drei offene kurze Passwege nach vorn gibt. Das bedeutet für den Scheibenführenden die Möglichkeit, schneller zu passen, weil der freie Mann nicht erst gesucht werden muss. In Sundblads System waren die Stürmer nach Scheibengewinn in der eigenen Zone direkt Richtung Offensiv-Drittel unterwegs. Gefordert waren also längere Pässe aus dem eigenen Drittel, die mehr Gefahr bergen, abgefangen zu werden. Unter Clouston ist nicht der eine gute Aufbaupass aus der eigenen Zone gefordert, sondern kurzes Passspiel über zwei oder drei Stationen, bis Raum da ist, um die Scheibe über die Blaue Linie zu bringen. Diese Änderung griff bereits nach nur einer Trainingseinheit mit dem neuen Coach. Patrick Hager sagte nach dem Spiel gegen die Adler: „Wir haben so gut kontrolliert hinten raus gespielt wie schon lange nicht mehr.“ Und Alexander Weiß erklärte nach dem Sieg gegen die Roosters: „Wir sind kompakter beieinander und spielen viele kleine Pässe. Sonst haben wir immer viel mit langen Pässen agiert. Jetzt sind es hinten eher die kurzen Pässe.“

Bei den Kämpfen um den Puck in der Bande werden jetzt zwei Szenarien unterschieden. Wenn der Gegner die Scheibe tief spielt und die Haie zuerst dran sind, wird eine Überzahl hergestellt. Das heißt, es geht immer ein KEC-Spieler mehr in die Situation in der Bande als vom Gegner involviert ist. Bringt der KEC-Spieler die Scheibe aus der Bande, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie beim eigenen Mitspieler landet. Spielt der Gegner die Scheibe tief und ist selbst zuerst wieder dran, dann geht es für die Haie-Defensive sofort in eine Fünfer-Formation im Slot (vergleichbar der Fünf auf einem Spielwürfel), um direkt Passwege wegnehmen zu können. Unter Sundblad wurde unabhängig vom Scheibenbesitz eine Überzahl hergestellt. Ging der Kampf um die Scheibe in der Bande dann verloren, eröffnete sich dem Gegner eine Menge Raum im Kölner Drittel.

In der Angriffszone sind die Verteidiger jetzt involvierter, die Scheibe im Drittel zu halten. Sie gehen konsequenter und regelmäßiger an der Bande entlang tief („pinchen“), um die Scheibe in den eigenen Reihen zu halten oder zurück in die eigenen Reihen zu bringen. Das ist nur möglich, weil sie sich jetzt darauf verlassen können, dass ein Stürmer ihre Position an der Blauen Linie übernimmt, sobald sie diese verlassen. Dass dieser Positionswechsel schon nach so kurzer Zeit wie automatisch läuft, ist vor allem Cory Cloustons Bestehen auf strikter Systemtreue geschuldet. Im Resultat halten die Haie die Scheibe deutlich länger in der Offensivzone und halten selbst bei Scheibenverlust den Druck auf den Gegner hoch.

Eine weitere Verbesserung gibt es im Backcheck zu beobachten. Durch die kompaktere Formation gibt es wenig Wege für den Gegner, aus der eigenen Zone geschweige denn durch die neutrale Zone zu kommen. Iserlohns Trainer Jari Pasanen stellte nach der Niederlage seiner Mannschaft am Dienstagabend fest: „Köln hat die Passwege zugemacht. Und es gab nicht viel Raum, um mit der Scheibe zu laufen.“ Die von Clouston immer wieder beschworene „5-men-unit“ (also die Einheit der fünf Feldspieler) hat es speziell im Backchecking unter Sundblad nicht in dieser strukturierten Form gegeben.

Weniger taktisch, aber dennoch erwähnenswert sind zwei gegenläufige Tendenzen, die beide sehr erfreulich sind: Die Haie schießen häufiger aufs Tor als zuvor und sie lassen deutlich weniger Torschüsse zu als zuvor. Zudem haben sie die Menge an zugelassenen echten Torchancen aus aussichtsreichen Positionen reduziert.

„Weiche“ Faktoren – die mentale Ebene

Neben der erfolgreichen Umsetzung der neuen taktischen Vorgaben hatte auch der Trainerwechsel an sich einen großen Einfluss auf das veränderte Auftreten der Mannschaft. Einsatz, Laufbereitschaft und Zweikampfverhalten sind binnen weniger Tage auf einem Niveau angekommen, das man angesichts manch blutleerer Vorstellung in der bisherigen Saison kaum mehr für möglich gehalten hätte. Alexander Weiß bemühte sich nach der Partie am Dienstagabend um eine Erklärung: „Wenn man erstmal in so einem Loch ist, dann ist es schwer, da rauszukommen. Wir als Mannschaft haben keinen Weg gefunden, um da rauszukommen. Deshalb haben wir jetzt einen neuen Trainer. Der hat frischen Wind reingebracht. Neue Übungen im Training, eine neue Stimme in der Kabine – das tut einfach gut. Das ist jetzt wirklich ein Neustart.“

Es ist aber bei Weitem nicht nur der „frische Wind“, den die Mannschaft gebraucht hat. Unter Niklas Sundblad gab es eine Menge Freiheiten, die durchaus förderlich sein und auch zum Erfolg führen können. Ein strikteres und strukturierteres System, wie es Clouston etabliert hat, gibt der Mannschaft jetzt aber eine Ausgangsbasis, auf die man immer bauen kann und die Sicherheit gibt. Aus Sicherheit resultiert Selbstvertrauen, aus Selbstvertrauen Durchsetzungsvermögen – und dann irgendwann Kreativität und Spielwitz. Die Mannschaft glaubt an und vertraut auf das System von Clouston. Ein Zustand, den es vielleicht so nicht zu hundert Prozent bei Niklas Sundblad gegeben hat. Unter ihrem alten Coach gab es zu viele Ausreißer und zu viele Eigenbrötler.

Mit dem guten Spiel gegen die Adler und dem Sieg gegen die Roosters ist nun außerdem die gute Laune zurückgekehrt. Wer am Dienstagabend nach der Schlusssirene in die Gesichter der Spieler geschaut hat, fand da nicht Erleichterung und Aufatmen sondern pure Freude. Was mit einem solchen Sieg zurückkommt, ist der Glaube an die eigenen Fähigkeiten. Dass der Spaß zurück ist, schadet auch auf keinen Fall.

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

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