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Was jetzt anders läuft – Teil 2

Haie-Headcoach Cory Clouston - Foto: Andreas Dick.
Haie-Headcoach Cory Clouston - Foto: Andreas Dick.

Neben dem neuen System und taktischen Änderungen, die wir in „Was jetzt anders läuft“ bereits thematisiert hatten, gibt es im Coaching von Cory Clouston eine Menge von Details zu beobachten, die vor allem eins sind: Ausdruck seiner Erfahrung.

Im Training

Bei Cory Clouston gibt es kurze, intensive Einheiten. Besonders eine seiner Begründungen dafür lässt aufhorchen, wenn man auf die zahlreichen Trainingsverletzungen unter den letzten beiden Haie-Cheftrainern, Uwe Krupp und Niklas Sundblad, zurückblickt, die beide Befürworter ausgiebiger Eiszeiten sind. „In langen Trainingseinheiten ist das Eis irgendwann sehr zerhackt und abgenutzt. Dann passieren schnell Leistenverletzungen“, erläutert Clouston. Ein Faktor, der bei den Erklärungsversuchen zu der Menge an eben dieser Art von Trainingsverletzungen unter Krupp und Sundblad bislang nie in Betracht gezogen wurde. Speziell die Saisonvorbereitung sowie die dienstäglichen „Knüppeleinheiten“ unter der Saison hatten unter den letzten beiden Trainern wiederholt Ausfälle zur Folge. Diese Verletzungsursache schließt Clouston mit seinen durchweg kurzen Einheiten bewusst aus.

Krupp erklärte seinerzeit die Freitagsspiele zu dem Teil des Wochenendes „mit schweren Beinen“ als Resultat aus dem harten Training und der wenigen Regenerationszeit zwischen der letzten Einheit am Donnerstag und dem Spiel am Freitag. In den Sonntagsspielen sollte es sich dann leichter laufen. Niklas Sundblad war ebenfalls ein Verfechter von hartem Training als bestmögliche Vorbereitung aufs Spiel. Die konditionelle Basis zu schaffen und aufrecht zu erhalten, sieht Cory Clouston hingegen in der Eigenverantwortung der Spieler und vor allem beim „off-ice workout“ im Kraftraum angesiedelt. „Ein Spieler ist im Spiel rund 20 Minuten auf dem Eis. Wenn wir zwischen 45 Minuten und einer Stunde Eiszeit ohne Pausen im Training haben, dann reicht das“, meint Clouston mit Verweis auf die Erfahrungswerte mit dieser Trainingspraxis in der NHL und AHL.

Wenn man nur 45 Minuten auf dem Eis trainiert, dann ist Effektivität oberstes Gebot. „Wir verschwenden keine Zeit damit, uns zwischendurch an der Taktiktafel zu versammeln. Bei uns folgt Übung auf Übung. Schneller Rhythmus, hohes Tempo“, erklärt der Kölner Headcoach weiter. „Wir wollen mit hohem Tempo spielen, also muss man auch genau so trainieren. Das funktioniert nur, wenn wir sicherstellen, dass jede Übung so gestaltet ist, dass sie einer Spielsituation gleicht.“

Da es aktuell noch um die Verfestigung und Verinnerlichung des neuen Systems geht, wird im Training inhaltlich viel wiederholt. Um die Konzentration hoch zu halten, gibt es aber für gleiche Aufgabenstellungen eine Vielzahl unterschiedlicher „Drills“ im Trainingsprogramm. „Gleiches System, unterschiedliche Übungen. Es geht darum, bestimmte Spielsituationen auf unterschiedliche Weise anzugehen“, so Clouston. „Wir ergänzen zwar nach und nach auch Neues, aber zum größten Teil wiederholen wir Dinge, damit die Spieler sie immer besser verstehen und sich immer sicherer in dem fühlen, wie wir spielen wollen.“

Im Spiel

Cory Clouston zeichnet sich durch ein aktives Bank-Management aus. Standard in der NHL, eher ungewöhnlich in der DEL. In der besten Liga der Welt ist es üblich, das Recht des letzten Wechsels in Heimspielen auszunutzen und z.B. sein bestes Verteidigerpaar oder seine beste Shutdown-Reihe gegen die gegnerische Top-Formation aufs Eis zu bringen oder die eigene Top-Reihe gegen die schwächste Formation des Gegners. Eine Praxis, die in der DEL weitestgehend vernachlässigt wird. Auch der Kölner Headcoach verfolgt dieses Ziel nicht manisch, behält die Match-Ups der Reihen nach eigenem Bekunden aber zumindest im Auge und reagiert nach Bedarf.

Was er aber sehr genau anpasst, ist der Einsatz der unterschiedlichen Fähigkeiten seiner Spieler auf unterschiedliche Spielsituationen und Spielstände. Nach vier Wochen in Köln und drei Wochen intensiver Arbeit mit der Mannschaft, nutzt er sein gewonnenes Wissen um die individuellen Stärken im Team inzwischen auf den Punkt. Wo sich vor Cloustons Amtsübernahme zum Beispiel ein Alexander Weiß mit defensiven Aufpasser-Aufgaben für seine Sturmpartner beschäftigen musste, setzt sein jetziger Trainer auf seine offensiven Instinkte. Nach der notgedrungenen Versetzung von Johannes Salmonsson in die Reihe mit Patrick Hager und Philip Gogulla wird das Sturm-Paar Aslund-Falk je nach Bedarf um Offensive – in Person von Marcel Ohmann – oder defensive Absicherung – in Person von Jean-Francois Boucher – ergänzt. Bei engem Spielstand zum Ende einer Partie und einem Defensiv-Bully finden sich die Aufräum- und Zonenklärungs-Spezialisten unter den Verteidigern auf dem Eis. Wo die Mannschaft im Optimalfall Automatismen entwickeln soll, gibt es für Clouston kein „Schema F“, keinen in Stein gemeißelten General-Plan für alle Spiele. Anpassungen im Lauf einer Partie sind die Regel und nicht der Ausnahmefall. Seine Reaktionsfähigkeit unterscheidet ihn deutlich von seinen Vorgängern hinter der Haie-Bande.

Es sind eine Menge Details, die Cory Clouston im Blick und auf dem Radar hat. Dass ihm das scheinbar ohne große Anstrengung gelingt, hat viel mit seiner Routine aus über 20 Jahren als Coach zu tun. Der Express befand kürzlich, Clouston habe „etwas Mystisches“ an sich. Eigentlich bringt er aber nichts Übernatürliches mit sondern schlicht ein hohes Maß an Kompetenz, das es in dieser Qualität und Zeitgemäßheit lange nicht mehr hinter der Haie-Bande gab. Dass die Mannschaft nichts von dem, was er sagt und tut, auch nur im Geringsten in Frage stellt, ist das Resultat.

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

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3 Kommentare

  1. Rolliman
    19.02.2016

    Zumindest die Erkenntnisse mit den Leistenverletzungen ssind richtig und logisch. Ansonsten ist mir diese “Lobhudelei” zu verfrüht.

    • Luca
      22.02.2016

      Es ist keine “Lobhudelei” sondern eine treffende Analyse, was Clouston verändert hat und das er ein Trainer mit weit aus mehr Kompetenzen ist, als seine Vorgänger Sundblad und Krupp.
      Die Analyse soll keinesfalls eine “Lobhudelei” sein, denn sie zeigt auf, was jetzt besser funktioniert und warum das jetzt besser funktioniert.

      Mir zeigt diese Analyse eindutig, dass der Trainerwechsel nötig und erfolgreich war. Und wer weiß, vielleicht wird das mit dem Meistertitel noch etwas. ;-)

  2. Mike
    22.02.2016

    Ich halte das nicht für verfrühte Lobhudelei! Sicher, welch messbarer Erfolg am Ende rausspringt, bleibt natürlich abzuwarten, aber die positive Tendenz ist da. Insofern kann ich Henrikes Einschätzung als Momentaufnahme absolut teilen!

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