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Vor Spiel 6: Die Temperatur steigt

KEC-Verteidiger Alexander Sulzer und Christian Ehrhoff - Foto: Andreas Dick

Was bis einschließlich Spiel 4 wohl die zahmste aller Viertelfinalserien war, hat in Spiel 5 nun auch echte Playoff-Temperatur erreicht. Auch wenn selbst die hitzige Partie in Nürnberg am Freitagabend immer noch weit vom Attribut „dreckig“ entfernt war, so haben Intensität und Trashtalk im Vergleich zu den ersten vier Spielen auf und neben dem Eis doch deutlich zugelegt. In der nun heißen Phase der Serie wird die Personaldecke an der blauen Line der Haie dünn.

Nur noch fünf Verteidiger

Das Worst-Case-Szenario ist eingetreten: Alexander Sulzer hat sich in Spiel 4 verletzt. Es war keine Fremdeinwirkung auszumachen. Nach einem Wechsel spät im ersten Drittel blieb der Verteidiger auf der Bank und kehrte nachfolgend nicht mehr in die Partie zurück. Somit reduziert sich die Zahl der gelernten Verteidiger im Kölner Kader auf fünf. Eingesprungen ist an dieser Stelle Jean-Francois Boucher. Dem Stürmer fehlt aber natürlich nicht nur die Routine auf dieser Position. Durch seine lange Spielpause muss er überhaupt erstmal seinen Rhythmus auf dem Eis wiederfinden.

„Man versucht, bereit zu sein, wenn man wieder zum Einsatz kommt“, so Boucher. „In den letzten zwei, drei Monaten habe ich ja als Verteidiger trainiert. Ich denke, ich kann diese Position spielen. Ich brauche vielleicht ein bisschen Zeit. Das Spiel in den Playoffs ist schnell.“

Zeit war das, was knapp wurde, als die Haie versuchten den Ausgleich im Schlussdrittel zu erzielen. In der Crunch-Time rotierten Peter Draisaitl und Greg Thomson deshalb doch nur die fünf Stammverteidiger. In dem Moment das probate Mittel, aber bei einer möglichen Overtime und auch für den Rest der Serie gesehen letztendlich keine dauerhafte Lösung.

„Wir können Boucher durchaus einsetzen. Der scheißt sich nichts – auf gut Deutsch gesagt. Aber mit Sulzer und Eriksson fehlen uns natürlich zwei Jungs, die wir gerade jetzt gut gebrauchen könnten“, so Peter Draisaitl nach der Partie. „Aber wir werden einen Weg finden.“

Schwerer Weg ins Nürnberger Drittel

Kritisch in dem Zusammenhang ist das Powerplay, das Peter Draisaitl als Knackpunkt in der Partie ausgemacht hat. Gegen ein clever agierendes Nürnberger Penaltykilling taten sich die Haie zeitweise schwer, überhaupt ins Angriffsdrittel zu kommen. In Ermangelung eines zweiten scheibenverteilenden Quarterbacks neben Ehrhoff kam zudem Moritz Müller in Überzahl zum Einsatz, der zwar sein reines Defensiv-Verteidiger-Dasein längst erfolgreich abgelegt hat, sich aber im Powerplay auf sichtlich ungewohntem Terrain bewegen musste.

Die Zone-Entrys waren aber nicht nur in Überzahl ein Problem für die Haie. Gegen Nürnberger, die in der neutralen Zone clever und taktisch diszipliniert agierten, versuchte es der KEC lange erfolglos per Dump and Chase. Ab Mitte der Partie verlegte man sich darauf, Schüsse aus der neutralen Zone direkt auf Treutle zu bringen und den Nürnberger Goalie durch Nachsetzen dazu zu bringen, die Scheibe festzumachen, um sich die Chance auf Scheibenbesitz im Angriffsdrittel via Offensivbully zu ergattern. Die Scheibe tatsächlich ins Nürnberger Drittel zu tragen, gelang regelmäßig lediglich Sebastian Uvira. Eins der Dinge, die in Spiel 6 besser werden müssen.

Hanowski trifft endlich

Einer der Lichtblicke in der Partie war der Treffer von Ben Hanowski. In den bisherigen vier Partien war der Stürmer ohne Tor geblieben. Wie gut ihm der Treffer tat, zeigte sich allein in der Menge der Schüsse und seinem gesteigerten Zug zum Tor nach dem 2:3.

„Es ist immer ein gutes Gefühl, ein Tor zu machen“, meint Hanowski nach der Partie. „Ich hatte einige Chancen, konnte aber bislang keine davon verwandeln. Das ich jetzt endlich eins gemacht habe, ist ein gutes Gefühl. Das war ein großartiger Pass von Ehrhoff, mit dem er mich vor dem Tor gefunden hat. Ich hoffe, dass ich jetzt noch ein paar nachlegen kann.“

„Man hätte ihm das Tor schon die ganze Zeit gewünscht, weil er ja auch in den Chancen drin war. Heute hat er endlich getroffen. Man würde es dem einen oder anderen auch noch wünschen“, meint Draisaitl mit Blick auf Hanowskis Stürmerkollegen, die ebenfalls noch auf ihr erstes Playoff-Tor warten.

Temperatur auf dem Eis steigt

„Man spielt halt immer und immer wieder gegen die gleichen Jungs. Man spielt um sein Überleben in den Playoffs. Da erhitzen sich die Gemüter dann über die Zeit. Das konnte man heute sehen“, so Hanowski zu den vielen kleinen Auseinandersetzungen in Spiel 5. „Es ist einfach eine physische Serie. Beide Mannschaften spielen hart.“

Schon das erste kleine Scharmützel zwischen Pascal Zerressen und Yasin Ehliz in der Bande, nach dem beide Spieler auf die Strafbank wanderten, gab einen Vorgeschmack darauf, dass die Zweikämpfe in dieser Partie anders geführt werden als in den vier Spielen zuvor. Die Schiedsrichter hielten sich – bis eben auf diese Situation – aus allen anderen kleinen Eins-gegen-eins-Raufereien heraus. So wurde der Grundton in der Partie ein deutlich anderer als in den vier Spielen zuvor. Ein Faktor, der dem Playoff-Gefühl sehr zuträglich war in einer Serie, die bislang zwar hart, aber ansonsten ausgesprochen zahm verlaufen war. Auch auf den Rängen wurden – im wahrsten Sinne des Wortes – andere Geschütze aufgefahren.

Ordner in Nürnberg gut beschäftigt

Was mit einem liebevoll an einer Angel aufgehängten Plüschhai harmlos begann, steigerte sich im Lauf der Partie zu handfesteren Aktionen. Ein Nürnberger Fan hatte das kleine Stofftier an der Schnur zu Pascal Zerressen in die Kölner Strafbank heruntergelassen und – mangels Reaktion des Kölner Verteidigers – verbal versucht, über das Plexiglas hinweg die Aufmerksamkeit von Zerressen zu ergattern. Ein Ordner war umgehend zur Stelle und bat den Fan, das zu unterlassen. Den Plüschhai von der einen Stelle der Tribüne löste aber später nicht zuletzt ein gefüllter Getränkebecher von einem anderen Sitzplatz aus ab.

Während der Unterbrechung bei der 2+2 Strafe gegen Dane Fox, die er regelkonform wegen eines hohen Stocks mit Verletzungsfolge gegen Bill Thomas kassiert hatte, waren die Spieler beider Mannschaften eine Weile damit beschäftigt, den Müll vom Eis zu räumen, der von den Rängen geflogen kam. Auch Blair Jones schob an der Bande ein paar zusammengeknüllte Klatschpappen zusammen, als ihn ein aus der ersten Sitzreihe geworfener fast voller Getränkebecher am Kopf traf. Auch hier schritten die Nürnberger Ordner zügig ein, holten den Delinquenten aus dem Block und verwiesen ihn der Halle. Den Becherwurf gegen einen seiner Spieler quittierte Peter Draisaitl mit einem Schulterzucken: „Wie damals in Kaufbeuren.“

Gefolgt war der Zuschauer da aber auch nur dem Vorbild von Nürnbergs Co-Trainer Mike Flanagan, der sich Ende des zweiten Drittels in einen Trashtalk unter den Spielern eingemischt, mit einer Trinkflasche nach Moritz Müller geworfen, allerdings – weniger zielsicher als später der Nürnberger Fan – stattdessen Kai Hospelt getroffen hatte. Aber auch Flanagan musste seinen Platz nach der Aktion verlassen. Die Schiedsrichter sprachen eine Spieldauerstrafe gegen den Co-Trainer der Ice Tigers aus.

„Es sind Playoffs. Da versucht man natürlich, ein bisschen zu provozieren“, berichtet Moritz Müller von seinem Trashtalk, der dem Flaschenwurf vorausgegangen war. „Das hatte überhaupt nichts mit ihm zu tun. Er hätte sich da einfach raushalten müssen. Er hat da keine Flasche zu schmeißen. Er ist der Trainer und sollte sich nicht wie ein Kleinschüler benehmen. Es ist klar, dass es auf dem Eis heiß hergeht und es auch Scharmützel gibt. Da muss man sich als Trainer einfach im Griff haben.“

Die Zuschauer in der Nürnberger Arena nahmen ihre Aufgabe als „siebter Mann“ für ihre Mannschaft im Kölner Powerplay am Ende des Schlussdrittels zudem ein wenig zu wörtlich. Weil während des laufenden Spiels weiterhin Gegenstände aufs Eis flogen, mussten die Schiedsrichter die Partie erneut unterbrechen, was den Spielaufbau der Haie in dem Moment unterband.

Unmut über das Schiedsrichtergespann

Der Nürnberger Stadionsprecher hätte sich an diesem Abend einen Bonus für die zusätzliche Arbeit verdient. Neben der Ansage von Toren und Strafen war er gut damit beschäftigt, die Zuschauer zu bitten, keine Gegenstände aufs Eis zu Werfen. Letzteres war ebenso wenig von Erfolg gekrönt wie seine wiederholten Aufforderungen an die Ränge, Stimmung zu machen. Laut wurde es in der Halle in erster Linie wegen der Unzufriedenheit der Ice Tigers Fans mit dem Schiedsrichtergespann, was in jeder Halle der Liga ein Auslöser für Pfeifkonzerte und ein existenzieller Bestandteil des Heimvorteils ist.

Ebenfalls mit Pfiffen bedacht wurde in den Schlussminuten der Partie Haie-Kapitän Christian Ehrhoff, der zweimal nur haarscharf an einem Wechselfehler vorbeigeschrammt war. Beide Situationen hätte das Nürnberger Publikum lieber mit einer Bankstrafe geahndet gesehen. Gerechtfertigt war der Nürnberger Unmut allerdings, als sich Sebastian Uvira nach einem Unterzahlkonter der Hausherren im Torraum auf einen Puck warf, den Mitchell zwischen den Schonern von Wesslau herausgestochert hatte. Der Kölner Stürmer hatte den Handschuh dabei zu Hilfe genommen, also wäre ein Penalty gerechtfertigt gewesen.

Ausblick auf Spiel 6

Was nach diesem Spiel 5 bleibt, ist eine Nürnberger Mannschaft mit Oberwasser, die mit einem guten Gefühl zu Spiel 6 nach Köln reisen wird. Den schlechten Start in die Partie am Freitag konnten die Haie nicht mehr wettmachen. „Ich denke, dass wir heute ein bisschen mitgeholfen haben. Vor allem zu diesem Rückstand“, resümiert Draisaitl. „Aber letztendlich ist es dann entscheidend, ob die Moral nochmal da ist und ob du aus dem Spiel noch was machst. Ich denke, das haben wir getan. Aber wir werden sicherlich das eine oder andere Play aufs Tor von irgendjemandem brauchen.“

„Die Moral ist gut. Der Teamspirit stimmt. Und der Glaube ist auch da, dass wir die Serie noch drehen können“, so Ehrhoff und ergänzt mit Blick auf den Verlauf der ersten 30 Minuten in Spiel 5: „Wir haben uns ein Loch gegraben, aus dem wir nicht mehr rausgekommen sind. Wir brauchen am Sonntag auf jeden Fall einen besseren Start.“

„Von der Moral her war es kein Problem heute. Nichtsdestotrotz sind das Spiele, die wir hier in Nürnberg ziehen müssen. Da müssen wir auch selbstkritisch sein. Die Nürnberger sind sehr selbstbewusst nach dem Spiel. Sie halten sich für die bessere Mannschaft“, meint Moritz Müller. „Ich hatte bisher in keinem der Spiele so richtig das Gefühl, dass Nürnberg wirklich besser war. Wir müssen einfach einen Weg finden, die Spiele zu gewinnen. Es wird am Sonntag der schmale Grat werden, nicht zu übermotiviert vorne reinzurennen und dann in Konter zu laufen. Emotionen ja, aber wir müssen kontrolliert unser Spiel spielen.“

„Wir müssen unsere Intensität im nächsten Spiel auch noch steigern“, meint Boucher. „Wir hoffen im Heimspiel am Sonntag auf die Unterstützung unserer Fans. Aber das sind genau die Spiele, wegen denen wir alle Eishockey spielen. Aber bei all den Emotionen müssen wir fokussiert bleiben. All die kleinen Geschichten am Rande können wir später – nach der Serie – klären.“

Erstes Bully am Sonntag ist um 17:00 Uhr. Wir übertragen die Partie live ab 16:45 Uhr.

Tickets für Spiel 6 gibt es hier.

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Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

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2:3-Niederlage – Ice Tigers übernehmen Führung in der Serie

4 Kommentare

  1. Alexander
    24.03.2018

    Wir müssen siegen Ausreden gibt es keine mehr.Jeder muss zeigen das er sein Gehalt wert ist.Die Mannschaft besteht aus Olympia Helden und ehemaligen NHL Spielern das ist Grund genug um zu gewinnen.

  2. Thomas
    24.03.2018

    Die Moral stimmt also? Mhhh da kann man jetzt drüber streiten, aber ohne Lalonde wirkt das ganze schon mehr nach Teamarbeit, soweit ok.

    Der Puls steigt? Kaum zurück aus der Reha, und ja mein Puls steigt wirklich. Ob die Haie sich nochmal steigern müssen? Ja defintiv! Ob sie das können? Mhh ich weiß es nicht. Dieses Jahr fehlt es da einfach an Talent aus meiner Sicht.

    Wieso darf hier nicht ein Dumot sich mal zeigen? Ja Frankfurt braucht ihn sicher gerade selber in den Play Offs, aber er könnte nochmal einen unverbrauchten Wind rein bringen, so wie es Tiffels gerade macht.

    Und ich wünsche mir das die Haie endlich mal die Nürnberger provozieren bis zum geht nicht mehr. Lasst das Fair Play sein, es soll keiner verletzt werden, aber ich erinnere mich da an einen Minard der unter Krupp in den Play Offs die Wolfsburger Goalies der Reihe nach so entnervte, dass diese nicht ruhig blieben. Spielertypen die dem KEC genauso fehlen wie ein richtig kreativer Center.

    Morgen heißt es Heimsieg oder Urlaub. Ich bin gespannt ob man wieder schnell hinten liegt, dann denke ich wird die Messe gelesen sein.

    Morgen muss man einfach alles bringen. Leistung über 60 Minuten, Kampfeswillen und bitte bitte auch mal ein paar psycho Spiele, so genervt wie die Nürnberger bereits sind.

    Gruß
    Thomas

  3. Oli
    25.03.2018

    ehemalige NHL Spieler ist richtig, aber das ist auch das Problem. ALTE gesättigte Spieler. Wo ist ein Thomas, der jetzt mal voran gehen müsste, Ehrhoff ist nicht mehr der Jüngste obwohl er mir mit ein zwei Ausnahmen noch am besten gefällt. Nur weil in der Vita NHL Spieler steht heißt es nicht das die Jungs es auch noch drauf haben. Siehe einen Peters… wie dieser Bauchklatscher jemals ein NHL Spiel bestreiten konnte ist mir ein Rätsel. Junge Spieler ins Team und wachsen lassen und endlich aufhören von der Meisterschaft zu reden.

  4. Tacki
    25.03.2018

    Die Mannschaft ist überspielt und kann nicht mehr mithalten, von steigender Temperatur kann ich da nichts sehen!

    Hoffentlich besinnt man sich und gibt der Mannschaft ein neues Gesicht. Für mich die ersten Kandidaten, die die Koffer packen sollten Hospelt, Wruck, Eriksson und Sulzer. Oh man, bitte bitte Sulzer! Entweder verletzt oder schwanken zwischen Genie und Wahnsinn, Hauptsache keine Konstanz.

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