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Interview mit Jason Marshall

Ein Mittelgewicht für NHL-Verhältnisse, aber ein Schwergewicht für DEL-Verhältnisse. In insgesamt 569 Spielen in der besten Liga der Welt sammelte er 1059 Strafminuten, auch dank einer ganz anständigen Fighting-Akte. Aber die wilden Tage sind vorbei. In Marshalls Spiel hat sich viel geändert und ändert sich noch. In diesem Interview spricht er über Dinge, die passiert sind, Dinge die nie wieder passieren werden, und Dinge, die noch kommen.

Die englische Original-Version des Interviews findet ihr hier.

Wieviel Spaß hat das Spiel gegen Duisburg gemacht?

Das hat Spaß gemacht! Ich meine, ab einer bestimmten Anzahl von Toren hat das andere Team angefangen, mir leid zu tun. Aber ich glaube, für uns als Team war es wichtig, anzufangen Tore zu schießen und ein bisschen Spaß am Spiel zu haben. Hoffentlich können wir das beides beibehalten.

War es auch wichtig zu erkennen, dass es gut funktioniert hat, das Spiel einfach zu halten?

Ja, das ist ein guter Punkt. Das ist genau das, was wahrscheinlich die wichtigste Sache in dem Spiel war. Natürlich hatte das andere Team einen schlechten Abend, aber ich denke auch, dass wir viele gute Dinge getan haben, schlaue Dinge. Ich glaube, wenn es nicht so gut läuft, hat man die Tendenz, Dinge angestrengter zu versuchen und vielleicht ein bisschen zu viel zu tun, obwohl es eigentlich einfacher wird und die Tore fallen, wenn man das Spiel vereinfacht und kleine Dinge tut. In der Hinsicht war es eine gute Lektion. Wir können uns das ansehen und darauf aufbauen.

Du hast eine Menge Führungspersönlichkeit mit ins Team gebracht. Das Team war aber bereits voll mit Führungsspielern. Es scheint eine Menge Häuptlinge, aber nur wenige Indianer zu geben. Birgt das das Potential, irgendwann zum Problem zu werden?

Es gibt hier viele Spieler mit einer Menge Erfahrung, aber ich glaube, der Club hat einen guten Job gemacht und die richtige Sorte Spieler dazugeholt. Die Gefahr, dass das ein Problem wird, besteht, wenn es zu viele Spieler mit Egos gibt. Aber alle Spieler hier sind wirklich großartige Jungs. Dave McLlwain ist ein älterer Spieler, aber er ist schon lange in der Liga und unterstützt einfach alle. Er sagt die richtigen Dinge, und er will gewinnen, und er ist nicht der Typ „Respektier mich!”. Er geht da raus und spielt jeden Abend, er ist einfach ein Leader auf und neben dem Eis. Das zieht sich durch unseren gesamten Kader. Leute wie Lüdemann, Julien, Lindsay, Renzi – all diese Jungs haben einfach einen großartigen Charakter, also ist es für uns einfach ein Vorteil, dass wir so viel Erfahrung im Team haben und so viel Führungsqualität.

Aber gibt es denn eine Hierarchie?

Ich weiß nicht. Es wurde über eine Hierarchie gesprochen, und ein bisschen gibt es das natürlich in jedem Team, aber ich weiß nicht, wie wichtig es ist. Ich glaube, die Qualität des Spiels sollte darüber entscheiden, wo man in der Rangfolge steht. Manche Spieler bekommen zwar häufiger Gelegenheiten, sich zu beweisen, aber ich denke trotzdem, dass die Art und Weise, wie jemand spielt, ihm seinen Platz in der Rangfolge geben sollte. Die Saison ist lang, und das ändert sich täglich. Ich glaube, dass es für ein Team gesund ist, diesen Wettbewerb und diese Energie zu haben.

Alle ehemalige NHLer, die nach Deutschland gekommen sind, haben gesagt, dass am schwersten damit umzugehen ist, dass es sehr wahrscheinlich keinen Weg zurück gibt. Wie war das für Dich?

Weißt Du, ich habe mit meiner Karriere wirklich Glück gehabt. Ich war eine zeitlang in den Minors und bekam die Chance, in der NHL zu spielen. Ich bin da länger geblieben, als ich es jemals für möglich gehalten hätte. Das hier ist eine neue Erfahrung. Ich wollte das immer schon machen. Ich bin jetzt ein älterer Spieler, also habe ich nicht die Illusion, zurück in die NHL zu gehen. Ich genieße diese Zeit und dieses Erlebnis mit meiner Familie. Ich war bereit. Ich war definitiv bereit. Ich war lange genug drüben. Ich war froh, die Gelegenheit zu haben, hierher zu kommen.

Du kennst Bill Lindsay aus deiner Zeit in den Juniors und hast mit Alex Hicks in Anaheim und Baltimore gespielt. Hast du mit ihnen gesprochen, bevor du dich entschieden hast herzukommen?

(lächelt) Billy hat im Frühjahr angefangen, mich anzurufen, als wir noch in den Playoffs waren. Er hat mir alles über Köln erzählt. Ich habe viele Freunde, die rübergekommen sind und in der DEL spielen. Der erste, der mir da einfällt, ist Ted Drury. Seine Familie kommt im Sommer immer nach Kalifornien. Ich kenne sie schon lange. Sie sind jetzt seit fünf oder sechs Jahren hier. Mit ihnen habe ich also immer schon darüber gesprochen. Und dann gibt es da noch Sean Pronger, der ein guter Freund von mir ist. Seine Familie lebt in Kalifornien direkt nebenan bei uns. Ich hatte also eine Menge Leute, mit denen ich über viele Dinge reden konnte, die mir geholfen haben, mich darauf vorzubereiten hierher zu kommen. Das war sehr hilfreich. (lächelt) Einer meiner besten Freunde von zuhause hat ein Mädchen aus Deutschland geheiratet, also habe ich viele positive Dinge gehört. Alex [Hicks] und seine Frau haben uns enorm unterstützt. Wir sind hier in ihr Haus gezogen. Meine Frau und Alex’ Frau haben sich Emails hin und her geschrieben. Sie hat uns über die Gegend berichtet und über die Leute, die neben uns wohnen, und was man mitbringen muss und was nicht. Das war toll.

Du scheinst dich im Vergleich zur Testspielphase sehr beruhigt zu haben. Ist das nur äußerlich, aber innerlich kocht es immer noch?

(lacht) Nein, nein, nein! Weißt du, was ich glaube? Nunja, meine Frau war nötig, um mich darauf hinzuweisen, dass ich mich in Testspielphasen immer schon schwer getan habe. Sie meinte: „Was ist eigentlich los mit dir?”, und ich sagte: „Weißt du, ich bin echt frustriert. Ich spiele wirklich nicht gut.” Darauf sagte sie: „Weißt du, du warst schon immer so in Testspielphasen.” Da dachte ich dann, ja, sie hat Recht.

Ich war in erster Linie unzufrieden mit meinem Spiel. Ich hätte nicht gedacht, dass ich solche Schwierigkeiten haben würde, mich umzustellen. Als ich ankam, war einfach alles neu, und es hat mir gefallen. Dann nach ein paar Wochen, wenn man mit seinem Spiel nicht glücklich ist, dann ist man enttäuscht, und alles wird ein bisschen grauer, sozusagen. Es war also eine Kombination aus der Testspielphase und dem Versuch, viele Dinge in den Griff zu bekommen. Ich weiß, dass ich auf dem Eis eine Menge dummer Dinge getan habe, für die ich mich nach dem Spiel geschämt habe, was mich dann noch wütender über mich selbst gemacht hat. Es war also eine Frage der Umstellung auf die Regeln und den Spielstil und Dinge, die ich gewohnt war. Mich hat mal jemand gefragt, was der Unterschied zwischen der NHL und der deutschen Liga ist. Es gibt einige große Unterschiede, aber es gibt eben auch eine Menge kleiner Dinge, die man vermutlich nicht nachvollziehen kann, wenn man nicht drüben gespielt hat. Es sind wirklich kleine Sachen, die nichtmal besonders interessant sind, aber es sind viele verschiedene Dinge, viele Feinheiten, die ich einfach vergessen musste.

Eine Angewohnheit hast du aber seit der Testspielphase nicht abgelegt, und das ist, an der gegnerischen Strafbank vorbeizufahren, wenn dort gerade jemand Platz genommen hat. Was für Sachen sagst du da?

(grinst) Keine Ahnung. (lacht) Nein, das ist noch so eine Sache, die mir peinlich ist. Ich bin emotional auf dem Eis, aber das ist immer nur kurz. Ich werde, na ja, nicht wütend, aber ich werde emotional oder rege mich auf. Fünfzehn Sekunden später denke ich dann „Mann, du bist ein Idiot.” Alles, was ich so sage, weiß ich nichtmal mehr.

Freust du dich eigentlich auf die Spiele gegen Iserlohn, wo du deinen „alten Freund” Jimmy Roy wiedersehen wirst?

Nein, darauf freue ich mich nicht. Weil ich glaube, in dieser Liga – ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll. Also, in Nordamerika gibt es ein bisschen sowas wie das Übernehmen von Verantwortung. Wenn man auf eine bestimmte Art und Weise spielt und bestimmte Dinge sagt, dann muss man dafür immer mal wieder den Preis bezahlen. Aber mit den Regeln und allem in dieser Liga hier ist das natürlich anders. Die Regelauslegung ist ein bisschen anders, also kann man alles Mögliche sagen und muss nie wirklich dafür geradestehen. Ich meine, ich hatte in der Vergangenheit einige Auseinandersetzungen mit Jimmy Roy. Er ist ein Provokateur. Wir konnten das immer „regeln”, aber hier kann man das nicht wirklich tun oder man bekommt eine Sperre. Ich meine, er ist ein toller Spieler, er macht das, was er macht, gut und ist talentiert. Für mich bedeutet das, ich muss das bleiben lassen. Das ist etwas, was ich in den letzten sieben oder acht Spielen gelernt habe. Man darf sich auf solche Sachen nicht einlassen, weil es zu nichts positivem führt. Man bekommt nur Schwierigkeiten und wird noch wütender. Es führt also zu nichts.

Das hier ist nicht dein erster Aufenthalt in Europa. Während des Lockout hast du für den HC Plzen in der Tschechischen Extra Liga gespielt. Ist der Unterschied zur DEL groß? Und hilft dir die Erfahrung, dein Spiel hier anzupassen?

Ich bin nicht sicher. (lacht) Das ist eine gute Frage. Ich weiß nicht, ob es mir geholfen hat oder ob es mir nicht geholfen hat. Die Regelauslegung dort war ein bisschen anders. In der Tschechischen Liga war es ein bisschen körperbetonter. Wenn man zum Beispiel jemanden gecheckt hat, dann gab es dafür keine Strafe. Was das Spielsystem und das Niveau angeht, ist es vergleichbar. Es gab auf dem Eis ein bisschen andere Strukturen, andere Spielzüge und solche Dinge. Aber was das Hockey angeht, ist es ziemlich ähnlich.

Damals war dein Freund Pavel Trnka im Team von Plzen. Wärst du auch dorthin gegangen, wenn er nicht da gewesen wäre?

(lächelt) Wahrscheinlich nicht. Weißt du, ich saß zuhause in Kalifornien und wollte einfach irgendwo spielen. Es gab natürlich viele Spieler, die spielen wollten, und ich stand ziemlich weit unten auf der Einkaufsliste. Plötzlich bekam ich einen Anruf von irgend so einem Agenten aus Tschechien, und er sagte: „Möchtest du bei uns spielen?”. Das einzige, was ich in Tschechien kannte, war Plzen und Pavel Trnka. Es passierte irgendwie alles innerhalb eines Tages. Ich weiß ehrlich gesagt bis heute nicht, wie ich da hingekommen bin oder wer meinen Namen da ins Spiel gebracht hat. Es war immerhin eine Gelegenheit. Es war im Januar. Ende Januar. Es hieß immer noch, dass die NHL-Saison stattfinden würde. Also dachte ich, ok, ich könnte rüber gehen und einen Monat oder zwei da spielen. Das würde nützlich sein, um mich auf den Rest der NHL-Saison vorzubereiten, wenn sie die Saison retten. Ich weiß nicht wirklich, wie das alles kam. Es passierte alles innerhalb eines Tages. Am nächsten Tag saß ich im Flugzeug. Es hat auf jeden Fall geholfen, dass Pavel da war, weil ich dort ziemlich aufgeschmissen war. Mit der Sprache war es schwer, und ich war der einzige Nordamerikaner dort. Aber es war toll. Die Leute waren super. Es war eine tolle Erfahrung.

Du bist in Nordamerika immer ein Defensivverteidiger gewesen. Hier ist deine Rolle eine komplett andere. War das eine große Umstellung? Macht es dir Spaß, hier eine offensive Rolle zu spielen?

Es macht Spaß, ja. Es macht großen Spaß, zu spielen und viel zu spielen und in unterschiedlichen Situationen zu spielen. Jeder wünscht sich das. Das ist neu für mich. Ich meine, ich habe das hier und da ein bisschen gemacht, aber nie so wie hier, also lerne ich wieder und versuche, mich einzugewöhnen, mich an bestimmte Situationen zu gewöhnen. Das gefällt mir. Ich bin wirklich froh über diese Möglichkeit. Es ist schön, eine andere Rolle zu haben. Es war schwer, mich darauf einzustellen. Ich meine, ich habe ein bisschen Powerplay in der NHL gespielt, aber nie besonders viel. Ich war nie ein großer Powerplay-Spieler. Um also die Giftigkeit und die Geduld und die Sachen zu haben, die man im Powerplay braucht – weißt du, es ist ein anderer Rhythmus, wenn man Powerplay spielt. In jedem Spiel versuche ich, ein bisschen entspannter zu sein und es ruhig angehen zu lassen und die Fähigkeiten zu nutzen, die mir geblieben sind. (lacht) Wie du sagtest, ich bin die längste Zeit Defensivverteidiger gewesen. Wenn ich keine Gegentore kassiert habe, war das toll. Ich war froh, wenn ich mal einen Schuss aufs Tor abgeben konnte, ganz zu schweigen von einem Treffer oder einem Assist. Es macht großen Spaß hier.

Du darfst deine physischen Fähigkeiten hier so gut wie nicht einsetzen. Wie sehr beeinflusst es dein Spiel, dass du hier nicht so checken darfst wie in Nordamerika?

Ja, das ist Teil der Anpassung. In der NHL gibt es viele unterschiedliche Rollen. Da gibt es die Scorer und die Checker und all das. Hier wird von jedem erwartet zu punkten und die technischen Fähigkeiten zu nutzen und solche Sachen. Für mich ist das eine Umstellung, weil checken und körperbetontes Spiel einen großen Teil meiner Spielweise ausmachen. Ich meine, auf diese Weise habe ich es geschafft, in der NHL zu bleiben. Als ich hier ankam, habe ich versucht zu checken und habe dafür Strafen für „Unkorrekten Körperangriff” bekommen. Ehrlich gesagt habe ich gezweifelt, ob ich spielen kann und dem Team helfen, weil mir die Dinge, die ich jahrelang gemacht hatte, quasi nicht mehr zur Verfügung standen. Es gab eine Zeit, als ich jünger war, in der ich viel gespielt habe und eine andere Rolle im Team hatte. Ich denke, ich muss das einfach wiederfinden. Keine Ahnung. Ich versuche immernoch, es herauszufinden. (grinst) Weißt du, nach all den Jahren, in denen man so gespielt hat und sich nach einem Spiel gut gefühlt hat wegen Sachen wie: „Ich habe gut gespielt. Ich habe ein paar gute Checks gefahren. Ich habe hart gespielt und es mit dem und dem Spieler aufgenommen”, kann ich das jetzt nicht mehr sagen. Jetzt denke ich manchmal: „Ok, was habe ich heute überhaupt da draußen gemacht?”. Manchmal ist es schwer für mich, eine Befriedigung im Spiel zu finden.

Hast du darüber jemals mit Bill Lindsay gesprochen? Ich meine, er ist zwar nicht so groß wie du, aber so ziemlich der gleiche Spielertyp, und steckt ja in der gleichen Situation.

Ja, Mann, er hat hart gespielt. Ich erinnere mich, dass ich oft gegen ihn gespielt habe. Ich glaube, das ist eins von den Dingen, über die man nicht wirklich reden muss. Die Jungs werden sowieso sagen, du musst dein Spiel ändern. Und das können sie dir hundertmal sagen. Alle meine Freunde hatten mir das vorher gesagt. Ted Drury und Sean Pronger meinten: „Oh, du wirst eine Million Strafminuten kriegen! Du wirst jemanden checken und eine Strafe dafür kriegen, auch wenn es ein sauberer Check war!” Und ich meinte: „Ach, komm!” Man weiß es nicht, bis man hier gespielt hat. Ich lerne das gerade. Ich meine, man spricht zwar darüber, aber ein Spieler muss das selbst lernen. So, wie wir in der NHL gespielt haben? Das ist vorbei. Also muss man eigentlich auch nicht mehr darüber reden, glaube ich.

1989 warst du ein first round draft pick, neunter overall. Im selben Jahr war ein Nicklas Lidström ein third rounder, Pavel Bure ein sixth rounder. Scheint so, als hättest du in deinen Junior-Jahren eine Menge Aufmerksamkeit erregt. War das so?

Ich glaube nicht. Ich glaube, es ist schwer, 18-jährige Spieler auszuwählen. Ich meine, ich habe während meiner Karriere so viele Spieler gesehen, die in jüngeren Jahren unglaublich gut waren und dann abgefallen sind. Oder auch einige Spieler, die durchschnittlich waren, dann aber ständig besser wurden und plötzlich Stars waren. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass sie zu anderen Zeitpunkten ihre Bestleistungen bringen, oder woran sonst. Da spielen verschiedene Komponenten eine Rolle, Selbstvertrauen, Coaching, es gibt einfach so viele Faktoren, so dass ich glaube, wenn jemand 18 Jahre ist, dann ist das ein Schuss ins Blaue. Es gibt gute Spieler, aber zu behaupten, dass der eine ein Star wird, das ist – ich meine, bei einigen Spielern kann man es ganz gut einschätzen, aber bei allen anderen kann es in jede Richtung gehen. Ich glaube, ich war nicht besser als die anderen Jungs. Keine Ahnung. So läuft es halt. Sie haben halt hier [in Europa] gespielt. Ich weiß nicht, ob damals hier schon so viel gescoutet wurde.

Aber Du wurdest in dem Jahr ins Team Kanada aufgenommen. Also muss doch damals irgendetwas Besonderes an Dir gewesen sein.

Weißt du, (lächelt) das ist schwer zu sagen.

Du warst deine gesamte Karriere lang ein Western Conference Spieler. Es gab eine Gelegenheit in Richtung Osten, als die Rangers dich im August 2004 unter Vertrag genommen haben. Aber drei Wochen, nachdem du dort unterschrieben hattest, hat Gary Bettman den Lockout verkündet. Wo warst du, als du diese Nachricht erhalten hast?

Als ich in Kalifornien war, wurde uns schon mitgeteilt, dass die Saison nicht pünktlich anfangen würde. Es war keine Überraschung, dass sie uns ausgeschlossen haben. Ich war wirklich enttäuscht. Und ehrlich gesagt weiß ich bis heute nicht, welche Seite gewonnen hat. Ich habe mich wirklich darauf gefreut, nach New York zu gehen. Wir haben da nicht oft gespielt, weil wir nur einmal im Jahr dort waren. Ich bin Ende August mit meiner Frau hingefahren. Sie war vorher noch nie in New York. Wir haben uns die Stadt angesehen und uns umgeschaut, wo wir wohnen würden. Wir haben uns wirklich darauf gefreut, dort zu spielen. Aber dazu kam es dann nie. Aber sowas passiert eben. (lächelt) Ich meine, es gibt vermutlich ungefähr 700 andere Spieler mit der gleichen Geschichte. Also, kein Madison Square Garden. Meine Familie hatte sich so darauf gefreut. Ich habe mich wirklich darauf gefreut. Ich kenne dort einige Leute. Ich habe mich wirklich auf die Gelegenheit gefreut, in einer Stadt zu leben. Kalifornien ist schön und das Wetter ist toll, aber es ist nicht wirklich eine Stadt. Ich meine, San Francisco ist eine Stadt, aber in Südkalifornien, wo wir leben, ist es kein Stadtleben.

Während des Lockouts hast du zusammen mit fünf anderen Spielern einen Privat-Trainer engagiert, um in Form zu bleiben. Sagt das etwas über deine Arbeitsmoral aus oder war das damals einfach nur üblich?

Ich glaube, es war üblich. Alle haben das gemacht. Das war nichts Außergewöhnliches. Die Jungs hatten alle Fitness-Programme und Trainer. Es ist einfach so passiert. Er war übrigens einer unserer alten Trainer. Er hat uns unterstützt. Er hat sowieso immer mit uns zusammen trainiert, also haben wir ihn engagiert, damit er mit uns ein paar Drills macht. (lacht) Ja, aber es hört sich gut an! Aber ich war nur dreimal die Woche oder zweimal die Woche auf dem Eis und hab ein paar Drills absolviert.

1991 hast du den Turner Cup mit den Peoria Rivermen in der IHL gewonnen. Peoria hat dich für die Playoffs ins Team geholt, genau wie die San Jose Sharks zwölf Jahre später. In wiefern verändern die Playoffs dein Spiel?

Ich liebe die Playoffs. Es ist die beste Zeit im Jahr zum Hockeyspielen. Ich meine, in der NHL spielt man 82 Spiele oder 80 Spiele oder wie viele es sind, und es ist eine verdammt lange Saison. Aber sobald die Playoffs anstehen, ist es wie eine komplett neue Saison. Es ist wie ein komplett neuer Anfang. Und man ist total motiviert. Jedes Spiel zählt, jede Schicht zählt. Jeder Spielzug kann etwas ausmachen. Ich liebe es. Ich liebe diese Spiele einfach. Ich wollte in den Playoffs immer gut sein. Wenn man vorhat, gut zu spielen, dann ist das die beste Zeit, um es zu tun. Mir hat es einfach Spaß gemacht. In den Playoffs zu sein, ist eine tolle Belohnung für eine lange Saison, und man will so lange wie möglich drin bleiben.

Du hast in zwei aufeinander folgenden Jahren das Western Conference Finale gespielt. 2003 mit Minnesota, 2004 mit San Jose. Wie schwer ist es zu verkraften, zweimal hintereinander so kurz vor dem Stanley Cup Finale zu auszuscheiden?

Es ist enttäuschend, aber auf der anderen Seite ist man froh, dass man es so weit geschafft hat. Ich meine, man ist müde, man ist ausgepumpt, man war einfach etwas schlechter, die andere Mannschaft war beide Male besser. Wir hätten wirklich nichts ausrichten können. Ich meine, man ist zufrieden damit, dass man so gut wie möglich gespielt hat. Also konzentriere ich mich eher auf diesen Teil, als mir zu wünsche, ich hätte es ins Finale geschafft, aber – (lächelt) es wäre schon schön gewesen.

Du hast gesagt, in einem Playoff-Spiel ist jede Schicht wichtig. Erinnerst du dich noch an deine erste Schicht im zweiten Spiel der Serie gegen Calgary 2004? Das erste Tor für die Flames?

(grinst) Ja, der Puck ist von meiner Kufe abgeprallt. Ich erinnere mich an den Moment. Ein Spieler [Marcus Nilson] hat geschossen. Der Puck traf das Bein meines Partners [Scott Hannan], ich habe mich gerade mit einem gegnerischen Spieler auf das Tor zubewegt, und dann ist die Scheibe von meiner Kufe direkt ins Tor gegangen. Weißt du, als ich jünger war, hätte es mich das ganze Spiel lang fertig gemacht. Ich wäre am Boden zerstört gewesen, hätte mich selbst verflucht, hätte nur schlechte Gedanken gehabt. Ich hätte ein schlechtes Spiel gehabt. Aber wenn man älter wird – (grinst) ich weiß nicht, ob man einfach lernt zu verdrängen oder ob man Dinge rationaler betrachtet – aber das war so eine Sache. Sowas passiert. Natürlich ist mir das nicht absichtlich passiert, aber ich habe einfach versucht, es so schnell wie möglich zu vergessen. Es passierte früh im Spiel.

Es war 20 Sekunden nach Spielbeginn…

Ja. Ich musste ja das restliche Spiel noch gut spielen. Ich musste damit klarkommen.

Obwohl du immer ein körperbetonter Spieler warst, hattest du nie größere Verletzungen. (Klopf auf Holz!) Aber es schien, als hätte das Schicksal zu Beginn der letzten Saison beschlossen, wenigstens dein Gesicht umzudekorieren. Es fing an mit einem Fight gegen Ken Belanger in einem Testspiel gegen die Kings, der dir vier Stiche unter deinem rechten Auge eingebracht hat…

Weißt du was? Er ist ein großer Spieler. Ich meine, er ist viel größer als ich. Es war direkt zu Beginn des Spiels, als er mit mir kämpfen wollte. Ich sagte: „Hey, schnapp dir jemand größeren. Ich will nicht kämpfen. Wirklich.” Ich wurde älter und wollte mir das aufsparen. Anstatt mich also zu schützen, bin ich einfach nur zurückgewichen und habe auf ihn eingeredet. Er hat mich ein paar Mal getroffen und mir das Jochbein gebrochen. Ich bin mit dem Gesicht auf dem Eis aufgeschlagen. Ich weiß nicht, ich könnte eigentlich wütend auf ihn sein, denn wenn man darüber nachdenkt, hat er sich nicht korrekt verhalten. Man könnte nachtragend sein oder man hakt es einfach ab. Ich weiß noch (lacht), ich wurde geröntgt und in der Kabine genäht, da kam er rein und sagte „Oh, tut mir leid. Ich versuche, einen Vertrag zu kriegen.” Er war im Try-Out. Also habe ich verstanden, warum er das gemacht hat. Er hat alles versucht, um es ins Team zu schaffen. Solche Sachen passieren. Es sind ein paar Stiche. Sowas heilt.

Er hat es dann ins Team der Kings geschafft, musste dann aber für diesen Fight im ersten Saisonspiel gegen Anaheim die Konsequenzen tragen…

Ja, alle unsere harten Jungs [Kipp Brennan, Travis Moen, Todd Fedoruk] hatten es auf ihn abgesehen. Ich meine, das war nett. Aber gleichzeitig ist es ein bisschen beschämend, wenn diese Jungs für dich einstehen. Aber so macht das ein gutes Team. Das war lustig, ich war mit Fedoruk und Kipp Brennan zusammen gefahren, und sie sagten: „Oh, den Typen schnappen wir uns für dich.” Das ist nett. Das macht ein gutes Team aus. Ich denke gerne daran. Und ich glaube, wenn man seine Teamkollegen beschützt oder Dinge für einander tut, dann ist das eine tolle Sache.

Nur vier Wochen nach der Verletzung unter deinem Auge, hast du den nächsten heftigen Schlag ins Gesicht bekommen….

Ja, ich habe einen Schuss abbekommen. Der Puck hat mich genau auf der Nase getroffen. (grinst) Ja, das war nicht wirklich schön. Sie war an vielen Stellen gebrochen. Sie war Matsch. Ich bekam noch ein paar Stiche. Ich habe meine Frau angerufen und ihr gesagt, dass ich nach Hause komme und dass ich nicht besonders hübsch aussehe. Aber weißt du, man wird dann halt wieder zusammengeflickt. (grinst) Es hätte schlimmer sein können. Es war ja nur meine Nase. Es hätte ein Auge oder sonstwas sein können. Nach dieser Verletzung hast du nur zwei Spiele pausiert und hast dann mit Vollvisier gespielt.

Dein Coach Randy Carlyle sagte, er will das Risiko nicht eingehen, dich mit dieser Verletzung spielen zu lassen, hat sich dann aber entschieden, dich als rechten Flügelstürmer in der vierten Reihe einzusetzen. Hat er gedacht, es wäre weniger gefährlich, wenn du im Sturm spielst anstatt in der Verteidigung?

Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Ich hatte letztes Jahr ein hartes Jahr. Ich habe mehr als die Hälfte der Saison nicht gespielt. Ich habe am Anfang gespielt und danach so gut wie gar nicht mehr. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was er wollte oder was er dachte. Er hat mir gesagt, ich soll auf dem rechten Flügel spielen, also habe ich versucht, das Beste daraus zu machen. Ich habe schon in Minnesota unter Jacques Lemaire manchmal Stürmer gespielt. Wenn sie mich da eingesetzt haben, dann habe ich da halt gespielt.

Sollten wir hier also mal knapp mit Stürmern sein, dann wärst du eine Option?

(lacht) Oh, nein, nein, nein. Ich war kein besonders guter Stürmer drüben. Und ich glaube, ich wäre hier auch nicht besonders gut. Ich habe damals die Scheibe tief gespielt und versucht, Gegner zu checken und sowas. Ich weiß nicht, ob das hier funktionieren würde.

Du warst bei der Entwicklung von „NHL 2K6″ beteiligt. Du warst einer der Spieler, die fürs „motion capture” benutzt wurden, damit die Spieler im Videospiel echt aussehen. Wie war das?

Das war toll! Das war echt interessant. Wir hatten lange Arbeitstage. Wir mussten diese Anzüge anziehen, die überall kleine Reflektoren hatten. Und sie hatten all diese Spezial-Kameras. Das war irgendwie lustig. Am ersten Tag haben wir viel skaten und schießen gedreht. Und an den folgenden Tagen war es dann ein bisschen wie Schauspielern. Wir mussten so tun, als hätten wir eine dumme Strafe kassiert, und wir mussten bestimmte Reaktionen spielen. Und dann mussten wir so tun, als ob wir kämpfen, so tun als ob wir den Stanley Cup gewonnen hätten – da sind wir rumgefahren und haben eine Mülltonne hochgehalten. (lacht) Das war toll! Die Leute da waren sehr nett. Wir hatten Spaß. Sie hatten Marty Turco dabei. Er sollte die Goalie-Sachen machen. Sie hatten einige Spieler dabei. Ich hab das Spiel selbst nie gesehen. Sie sagten, sie würden uns ein Exemplar des Spiels schicken. Ich habe nie eins bekommen. Ich besitze zwar eh keine Konsole dafür, aber ich wollte schon mal sehen, wie wir Jungs da rumgefahren sind.

Die Auswahl deiner Trikot-Nummern über die Jahre scheint ziemlich zufällig zu sein. Haben sie irgendeine besondere Bedeutung für dich?

Nein, es gibt keine echte Bedeutung. Ich habe vielleicht – keine Ahnung – so fünf oder sechs verschiedene Nummern getragen.

Es waren mindestens sieben verschiedene Nummern…. [2, 3, 6, 7, 23, 25, 28]

Echt? Oh. Das wusste ich nicht. Na ja, ich habe die Nummer 2 schonmal getragen Einmal, ich glaube, als in den Juniors war. Ich habe nicht wirklich eine Lieblingsnummer, die ich unbedingt haben muss.

Das heißt also, dass du nicht abergläubisch bist?

Ich wünschte, ich wäre es nicht, aber unglücklicherweise bin ich abergläubisch. (lächelt)

Wenn du an deine bisherige Karriere denkst, was war dein schönster Moment im Hockey? Oh, wow… (überlegt) Schönster Moment im Hockey…. (überlegt) Als Spieler… (überlegt) Das ist schwer. (lächelt) Das ist schwer, nur einen auszuwählen. (lacht) Na ja, mein erstes Tor in der NHL war natürlich aufregend. Erstes Spiel, man ist so nervös. Das war ein besonderer Moment, würde ich sagen. Und dann natürlich eine Meisterschaft zu gewinnen, wenn man gerade aus den Juniors kommt. Ich war wahrscheinlich zu jung und zu dumm um zu begreifen, was für ein Glück das war, weil ich seitdem nichts mehr gewonnen habe. (lächelt) Das war eine besondere Zeit. Und das erste Mal in den Playoffs zu spielen war eine besondere Sache.

Es ist vermutlich noch zu früh in der Saison, um über Erwartungshaltungen zu reden, aber trotzdem: Was für ein Gefühl hast du in Bezug auf den Saisonausgang?

Na ja, es ist noch früh. Ich glaube nicht, dass wir schon unser bestes Hockey gespielt haben. Ich weiß, dass wir viel besser spielen können. Ich glaube, wir haben noch nicht alles gezeigt, was wir können. Es gibt viel Talent im Team, es gibt eine Menge Führungspersönlichkeiten, wie du schon sagtest. Aber ich glaube, wir sind noch ein ganzes Stück davon entfernt, uns zusammenzufinden und diese besondere Chemie und eine Siegermentalität zu entwickeln, um in die Playoffs zu marschieren und andere Teams zu dominieren. Ich denke, die Zutaten sind alle vorhanden. Es ist also nur eine Sache des Trainings und als Team Spiele zu spielen. Ich sehe keinen Grund, warum wir das nicht hinbekommen sollten. Ich bin begeistert von diesem Team. Ich warte noch darauf, dass sich alles zusammenfügt. Aber es ist noch früh. Weißt du, die Leute können vom ersten Tag an Vorhersagen machen und sagen, ein Team ist das beste auf dem Papier. Am Ende gibt es viele Überraschungen. Trotz all der vielen Jahre, die ich inzwischen spiele, habe ich keine Ahnung. Man hofft einfach das Beste. Genau das tue ich.

Wir bedanken uns bei Jason Marshall für das sehr informative und freundliche Interview!

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

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