Unabhängiges Magazin seit 2003 – Eishockey. Kölner Haie. Köln. DEL.

Hinweis: Dieser Artikel ist älter als sechs Monate. Um immer auf dem aktuellen Stand zu sein nutzt du:

Aktuelle Informationen findest du auf unserer Startseite »

Ein Sieg für Boucher

Ryan Jones Auge in Auge mit Milan Jurcina - Foto: Florian Müller

Der mentale Durchhänger vom Sonntag war wie weggeblasen. Vom ersten Bully an präsentierten sich die Haie in Spiel 4 der Viertelfinalserie hellwach, hochkonzentriert und lauffreudig. Die Mannschaft wirkte ohnehin schon hoch motiviert, aber die Ereignisse der 7. Spielminute gaben nochmal einen Extra-Schub.

Eisbären-Verteidiger Milan Jurcina verpasste Jean-Francois Boucher einen überharten Check gegen den Kopf. Der Kölner Stürmer ging zu Boden und blieb reglos liegen. Ein Schockmoment auf dem Eis und auf den Rängen. Boucher wurde von den Sanitätern mittels Trage vom Spielfeld gebracht.

Jurcina erhielt eine 5+Spieldauer für Unkorrekten Körperangriff. Ob es eine weitergehende Sperre durch den DEL-Disziplinarausschuss dafür gibt, bleibt abzuwarten. Nicht uninteressant ist bei der Bewertung aber auch die Vorgeschichte in dieser Serie, denn es war nicht das erste Mal, dass der bissige Kölner Ziel der Berliner war. Boucher ist ins Krankenhaus gebracht worden, wo er vorerst auch zur weiteren Behandlung bleibt. Er war dort wieder bei Bewusstsein. Welche konkrete Verletzung der Impact am Kopf verursacht hat, ist noch nicht bekannt. Weiterhin trug Boucher eine Beinverletzung davon, aus der er stark blutete.

Jurcina hat mit diesem Foul seiner Mannschaft einen doppelten Bärendienst erwiesen. Nicht nur, dass der NHL-erfahrene Verteidiger seiner Mannschaft für den Rest der Partie fehlte, was vor allem in Überzahl deutlich sichtbar war, sondern er sorgte auch in den Reihen des KEC für einen nochmals gesteigerten Willen zum Sieg.

„[Boucher] ist ein super Typ in der Kabine. Er ist lustig und hält immer die Laune oben. Jemanden wie ihn so verletzt zu sehen, war ein emotionaler Moment. Der Sieg heute war für ihn“, erklärte Shawn Lalonde nach der Partie.

„[Boucher] ist ein großartiger Kerl in der Kabine. Alle lieben ihn. Im Spiel würde er ohne zu zögern einen Schuss mit seinem Gesicht blocken. Er ist einfach ein Krieger. Wir wollten für ihn gewinnen. Dass er diesen Check für uns eingesteckt hat, hat uns einen großen Vorteil verschafft“, bestätigte auch Charlie Stephens.

„Wenn man einen Mannschaftskameraden auf diese Art verletzt sieht, dann ist das immer ein bisschen Extra-Motivation, das Spiel für ihn zu gewinnen. Er ist so ein wichtiger Teil dieser Mannschaft, besonders in den Playoffs. Ich finde, die Mannschaft hat sehr gut reagiert“, meinte Ryan Jones.

Die angesprochene gute Reaktion waren die ersten beiden Tore, die die Haie in der fünfminütigen Überzahl erzielten. Zunächst brachte Fredrik Eriksson einen Flachschuss im langen Eck hinter Vehanen unter, dann traf Philip Gogulla nach einer weiteren Berliner Strafe in doppelter Überzahl. Mit der 2:0-Führung ging es in die erste Pause.

Im Mittelabschnitt spielten die Haie weiter kontrolliert und mit kühlem Kopf, während bei den Eisbären der Frust mit jeder verstreichenden Minute sichtlich wuchs. Als Gogulla mit seinem zweiten Treffer des Abends auf 3:0 erhöhte, lagen die Nerven bei den Eisbären mehr und mehr blank. Dass sich die Haie besser unter Kontrolle hatten als die Gäste, zeigte sich unter anderem in einer Rangelei zwischen Darin Olver und Shawn Lalonde, die Olver anzettelte, aber im sonst durchaus hitzköpfigen Lalonde keinen willigen Gegner fand.

Was auch immer die Eisbären an Provokationen versuchten, perlte an den Haien wirkungslos ab. Mark Bell, der es in Spiel 3 mehrfach geschafft hatte, sein jeweiliges Kölner Gegenüber mit auf die Strafbank zu nehmen, scheiterte bei seinen Versuchen am Dienstagabend. Als er gegen Ende des Schlussdrittels allein für vier Minuten in die Kühlbox musste, leistete ihm kurze Zeit später Mark Olver Gesellschaft. Schon über die gesamte Partie hatte Olver versucht, Duftmarken zu setzen, wurde jedoch ignoriert. Als er während Bells Strafe einen Fight mit Patrick Hager anzetteln wollte, behielt der Kölner Stürmer die Handschuhe an und vermied somit die große Strafe, die Olver automatisch erhielt, weil er seine Handschuhe hatte fallen lassen. Die doppelte Überzahl nutzte Shawn Lalonde dann, um noch auf 4:0 zu erhöhen. Es war damit der zweite Shutout der Serie für Gustaf Wesslau.

Darüber, dass seine Mannschaft sich nicht in Auseinandersetzungen hat verwickeln lassen, war Cory Clouston durchaus erfreut: „Wir wissen, dass wir diszipliniert spielen müssen. Es wäre kontraproduktiv gewesen, sich in irgendwas hineinziehen zu lassen. Wir haben uns auf unser Spiel konzentriert und nicht auf die Sachen in den Spielunterbrechungen. Natürlich muss man für einen Teamkameraden einstehen, wenn er Unterstützung braucht, aber ansonsten müssen wir versuchen, so diszipliniert zu sein, wie es nur irgendwie geht.“

„Wir hatten uns das heute vorgenommen. Wir wollten uns heute ausschließlich auf die spielerische Komponente konzentrieren“, bestätigt auch Haie-Kapitän Moritz Müller. „Wir wollten aus den Scrums so weit es geht draußen bleiben. Natürlich gibt es Situationen, wo man den Torwart beschützen oder für einen Mannschaftskollegen einschreiten muss, aber das Ziel war, nicht selbst zu provozieren und uns nur auf uns zu konzentrieren.“

Die Haie waren das cleverere, abgeklärtere Team in dieser Partie und verloren während der vollen 60 Minuten nie den Faden. Selbst sieben Unterzahl-Situationen ackerten sie konzentriert weg und hielten ihren Kasten sauber. Dass das eigene Powerplay drei der sechs Überzahlen zu Treffern nutzen konnte, war der spielentscheidende Faktor.

Ob es nur die mitgenommene Wut nach der Niederlage in Spiel 3 war, die die Haie vom ersten Bully an angetrieben hatte, vermochte Haie-Headcoach Cory Clouston nicht zu sagen. „In gewissem Maß, ja. Aber heute ist das Spiel auch nicht gegen uns gelaufen. Wir haben zwei Tore in dem frühen Powerplay gemacht, deswegen sind wir dem Spiel nicht so hinterhergelaufen. Es ist viel einfacher, den eigenen Gameplan umzusetzen, wenn man in Führung liegt.“

Das Spiel ist für den verletzten Mannschaftskollegen gewonnen. Der Ausgleich in der Serie ist gemacht. Jean-Francois Boucher wird den Haien für die kommenden Spiele fehlen. So viel steht fest. Ob und wie lange Milan Jurcina den Eisbären fehlen wird, muss der Disziplinarausschuss nach Sichtung der Bilder entscheiden.

In jedem Fall wird es aber ein drittes Heimspiel für den KEC in diesem Viertelfinale geben – und zwar am Ostersamstag. Zuvor aber geht es am Donnerstag mit Spiel 5 in Berlin weiter. Erstes Bully wird um 19:30 Uhr sein. Wir übertragen die Partie live ab 19:15 Uhr.

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

Vorheriger Artikel

Viertelfinale Spiel 4: Vorentscheidung oder Ausgleich?

8 Kommentare

  1. Ulrich Graf
    23.03.2016

    Guten Morgen,

    bitte den Artikel abändern und zwar hier:

    “Boucher wurde von den Sanitätern mittels Bahre vom Spielfeld gebracht.”

    Siehe Wikipedia: “Bahre steht für:

    Gestell zum Transport von Toten”

    Er wurde mittels “Spineboard” und “Korbtrage” vom Eis geschoben.

    Bahre und Trage werden zwar umgangssprachlich oft als synonym verwendet, hört sich aber trotzdem nicht so schön an.

  2. 23.03.2016

    Trage, nicht Bahre. Der gute Mann lebt noch :-)

  3. Thomas
    23.03.2016

    Muss mich meinem “Vorredner” anschließen. Bitte dringend ändern. Bahren benutzen die mit den schwarzen Anzügen und Autos. ;-)
    Sonst wie immer Daumen hoch für den Bericht.

  4. Danke für den Hinweis! Vollkommen richtig. Ist korrigiert.

  5. Timo Engel
    23.03.2016

    Was soll man eigentlich von Uwe Krupp halten, der in der Pressekonferenz kein Mitleid für Boucher zeigte und ihm auch keine gute Besserung wünschte…

  6. Wallenstein
    23.03.2016

    Selbst ich, der Eishockey Ahnungslose, habe gegen Mannheim gesehen was Herr Boucher für ein wichtiger Spieler ist, der auch mal was schlitzohriges oder unfaires rausholt. So einen Spieler benötigt jede Mannschaft. Dass die Berliner diesen Spieler mit einem Foul, welches eigentliche eine Körperverletzung darstellt, ausschalten wollten dürfte wohl jedem klar sein. Von Zufall mag wohl niemand ausgehen. Erschrecken wie Herr Krupp und die Berliner Medien so tun als handele es sich um Business as usual.
    Hoffe der Berliner Spieler bleibt weiter gesperrt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.