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Lalonde: “14 Minuten auf der Strafbank sind nicht lustig.”

Shawn Lalonde im Haimspiel.de-Interview - Foto: haimspiel.de

Als Niklas Sundblad nach der letzten Ergänzung für Kölns Verteidigung suchte, wusste er genau, was er wollte. Shawn Lalonde entsprach dem Profil bis ins kleinste Detail. Im Interview blickt der 25-jährige Kanadier auf Entscheidungen in seiner Karriere zurück, spricht darüber, ob er den größten Teil seiner Härte aus seinem Spiel entfernt hat, und gibt seine Einschätzung dazu, was der KEC tun muss, um zurück in die Spur zu finden. (Zur englischen Originalfassung des Interviews hier klicken)

Shawn, war deine Rückkehr in die DEL bis jetzt so, wie du es erwartet hast?

Ja. Ich meine, die Liga ist insgesamt stärker geworden, als ich sie in Erinnerung hatte. Die Keller-Teams sind keine Keller-Teams mehr. Sie halten in jedem Spiel mit und gewinnen. Ich finde, die Liga ist besser geworden.

Wie war’s denn für dich in der SHL?

Naja, da gibt es kleinere Spieler, die gute Moves und viel Energie haben. Hier ist das Spiel nordamerikanischer geprägt. Spieler sind stärker. Für mich persönlich, mir wurde eine Rolle im Team zugeteilt und dann wieder weggenommen, also hatte ich nicht die tollste Saison.

Kannst du das näher ausführen?

Ich kam für einen offensiven Spieler ins Team. Und dann haben wir nicht gut gespielt. Sie sind in Panik verfallen und haben einen anderen Spieler für eine Menge Geld unter Vertrag genommen. Also mussten sie den spielen lassen. Ich steckte hinter ihm fest. Ich war enttäuscht. Für mich war das auf jeden Fall eine frustrierende Saison.

Es gab im Januar schon Gerüchte, dass du bereit wärst, nach Deutschland zurückzukehren, weil du in Schweden nicht besonders glücklich warst. Es schien, als wäre in dem Fall Berlin die logische Wahl. Was war der ausschlaggebende Punkt, in Köln zu unterschreiben?

Meine damalige Agentur hat keinen besonders guten Job gemacht, als ich Berlin verlassen habe. Ich glaube, dass ich die Brücke hinter mir eingerissen hatte, also gab es gar nicht die Option, dorthin zurückzugehen. Meine neue Agentur kannte Sunny [Niklas Sundblad]. Sie sind Schweden. Es hat gut gepasst. Jetzt bin ich glücklich, hier zu sein.

Am Ende der letzten Saison habe ich ein Interview mit Niklas Sundblad über den Kader für diese Saison geführt. Er hat den Verteidiger, den er noch suchte, beschrieben als jung, schnell, körperbetont, rechtsschießend – dem entsprichst du in allen Punkten. Wusstest du, wie die Situation hier für dich sein würde und welche Rolle du spielen sollst?

Ich erinnere mich, dass ich den Artikel gelesen habe. Und zu dem Zeitpunkt hatten wir gerade erst begonnen darüber zu reden, eventuell hierher zu kommen. Nachdem ich den Artikel gelesen hatte, wurde mir bewusst, dass das großartig passen würde. Ich wollte die Gelegenheit wahrnehmen. Da habe ich auf jeden Fall eine gute Entscheidung getroffen. Ich bin froh, dass er einen Spieler wie mich haben wollte.

Wusstest du, dass du im ersten Verteidigerpaar sein würdest oder hast du erwartet, da eingesetzt zu werden?

Nein, ich habe gar nichts erwartet. Wir haben hier vier wirklich gute Verteidiger, die in jedem anderen Team erstes Verteidigerpaar sein könnten. Wir können uns glücklich schätzen, die zu haben. Jetzt gerade müssen wir nur eine Schippe drauflegen und ein bisschen besser und mehr zur Rechenschaft gezogen werden.

Hast du dir aus dem Jahr in der eher defensiven SHL irgendwas mitgenommen?

Ich weiß nicht, ob ich einen Schritt vorwärts gemacht habe. Aber wenn man defensiver spielt, muss man zuverlässiger sein. Spieler sind schneller in den Ecken. Ich kann ziemlich schnell Pässe spielen, also war es auf jeden Fall ein Lehrjahr.

Abgesehen von der Tatsache, dass es insgesamt eine schlechte Erfahrung war, würdest du sagen, dass es zumindest für irgendwas gut war – zum Beispiel in Bezug auf die Entwicklung deines Spiels?

Ich bedauere irgendwie, dass ich das aufgegeben habe, was ich in Berlin hatte. Ich meine, das war ein toller Ort zum Hockeyspielen. Die Agentur, die mich zu dem Zeitpunkt vertreten hat, hat auf den Wechsel nach Schweden gedrängt, weil sie dachten, das würde die Chancen erhöhen, in größere Ligen zu gehen und mehr Geld zu verdienen. Das hat sich irgendwie gerächt.

Wo wir gerade von größeren Ligen sprechen: Ich habe mir das eine NHL-Spiel angesehen, in dem du gespielt hast – Chicago Blackhawks @ St. Louis Blues, April 2013. Ich wollte sehen, wie du dich auf dem Niveau machst. An was erinnerst du dich noch von dem Spiel?

(lacht) Ich wusste nicht, ob ich spielen würde oder nicht. Letztendlich bin ich zu Beginn des Spiels als Stürmer eingesetzt worden, und danach als Verteidiger, weil es einen Verletzungsausfall gab. Ich werde den Moment und das Erlebnis definitiv niemals vergessen.

Shawn Lalonde in seinem NHL-Debüt für die Chicago Blackhawks gegen die St. Louis Blues

Shawn Lalonde in seinem NHL-Debüt für die Chicago Blackhawks gegen die St. Louis Blues

Es war das letzte Hauptrundenspiel der Hawks. Es waren acht Rookies in der Aufstellung – einschließlich dir.

Ja, St. Louis ist ein hartes Team. Sie haben immer mehr gecheckt als die Hawks, mehr Zweikämpfe gewonnen und waren körperlich stärker. Also haben die Hawks ihren großen Jungs eine Pause gegeben und dafür die ganzen Spieler aus den Minors reingeworfen, die sich beweisen wollten. Ich glaube, wir haben das Spiel letztendlich verloren, aber wir waren physisch stärker als sie. Das hat sich nur nicht in Toren auf dem Spielberichtsbogen niedergeschlagen.

Zu dem Zeitpunkt warst du seit drei Jahren in der Organisation der Hawks. Sie hatten zu der Zeit einen enormen Überfluss an Verteidiger-Prospects. Wie war es zu wissen, dass die Chancen gering waren, es ins NHL-Team zu schaffen?

Konkurrenz ist immer gut, aber es ist hart und frustrierend, auf die Gelegenheit zu warten, sich beweisen zu können. Keiner von uns hat sie tatsächlich bekommen. Einige Jungs wurden getradet, andere spielen hier in Europa wie ich und versuchen, besser zu werden und sich zu steigern. Aber es war definitiv frustrierend, nicht die Gelegenheit zu bekommen.

Aber selbst wenn man nur in einer Organisation wie den Hawks ist, die ein Gewinner-Umfeld schafft – färbt das auf die Spieler im System ab?

Ja, auf jeden Fall. Es ist eine tolle Organisation. Sie behandeln ihre Spieler sehr gut. Gewinnen macht immer Spaß. Die Atmosphäre rund um das Team und in der Stadt war toll. Sie hatten einfach dieses Selbstvertrauen, dass sie wissen, dass sie gewinnen können. Und das haben sie getan. Jetzt hat sich der Kader ein bisschen verändert, also könnte es ein bisschen schwieriger werden, aber sie haben immernoch ihre Kernspieler.

Man vergisst leicht, dass du erst 25 Jahre alt bist, so wie du spielst.

Früh von zuhause wegziehen und erwachsen werden, Dinge selbst tun zu müssen, weil sie niemand für einen tut, wenn man es nicht selbst macht – man muss das schnell lernen. Je schneller man das lernt, umso besser geht es einem.

Allgemein herrscht Einigkeit, dass Verteidiger ihre beste Leistung in ihren späten Zwanzigern erreichen. An welchem Punkt deiner Karriere siehst du dich im Moment?

Was meine besten Jahre angeht, glaube ich, dass ich gerade erst anfange, die zu erreichen. Hoffentlich bin ich da in den nächsten paar Jahren – wo auch immer ich bin. Ich meine, es wäre schön, in der NHL zu sein, aber es liegt noch eine Menge Arbeit vor mir, bevor das überhaupt passieren kann. Wenn ich dann in Deutschland sein sollte, dann ist das auch in Ordnung. Ich versuche einfach, der beste Spieler zu sein, der ich sein kann, wo auch immer ich lande.

Betrachtest du die DEL als gut genug um dein Spiel auf ein Niveau zu steigern, dass dir eine Chance auf die NHL eröffnet?

Ja, ich finde schon. Diese Liga wird jedes Jahr mehr respektiert. Sieh dir Martinsen aus Düsseldorf an – der spielt jetzt in der NHL. David Wolf hat es letztes Jahr auch geschafft. Für ein paar Jungs gibt es auf jeden Fall eine Chance. Du musst weiter arbeiten und dich um die Dinge kümmern, die du kontrollieren kannst.

Du hast nichts gegen das Fighten, aber während deiner Zeit bei den Eisbären Berlin hast du gesagt, dass du dich hier in Europa in der Hinsicht ein bisschen zurücknehmen musst. Hast du daran gearbeitet?

Ich glaube ich nütze meinem Team mehr, wenn ich auf dem Eis bin anstatt suspendiert oder für 14 Minuten auf der Strafbank. Ich spiele über 23 Minuten pro Spiel. Für einen Verteidiger ist das ziemlich gut. Das ist das, was ich möchte. Das ist das, was ich brauche, um mich zu verbessern. Ich glaube, ich bin nützlicher auf dem Eis als auf der Strafbank. Aber sollte irgendwas passieren – die Saison ist ja noch lang – man weiß nie, was passiert. Als ich zuerst nach Deutschland kam, war ich wirklich dumm. Es gehört zum Spiel sicherzustellen, dass man weiß, in was für einer Liga man spielt. Fighten ist hier nicht wirklich so nötig wie in Nordamerika. Und besonders 14 Minuten auf der Strafbank sitzen ist nicht lustig. Aber wenn auf dem Eis irgendwas passiert, falls irgendjemand angegangen wird, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass ich dazwischen gehen. Aber bislang war alles ziemlich unter Kontrolle in dieser Saison.

Es gibt andere Wege, Präsenz zu zeigen – wie zum Bespiel Checks. Aber auch das ist in dieser Liga ein schmaler Grat.

Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, als ich in meinem ersten Jahr in die Liga kam und das gemacht habe, habe ich mir damit ein bisschen mehr Raum und Respekt verschafft.

Ich muss nochmal zurück aufs Wolfsburg-Spiel kommen und auf den Check, den du gegen Vincenz Mayer gefahren bist. Es war früh im Spiel, und man hatte den Eindruck, dass du dein Team anheizen wolltest. War das deine Intention oder ist es einfach passiert, weil die Situation danach war?

Sunny möchte, dass wir physischer spielen und die Zweikämpfe gewinnen und all diese Dinge. Für mich ist der erste Wechsel in jedem Spiel eine große Sache. Da entscheidet sich, was für ein Spiel man haben wird. Ich fahre gerne einen Check im ersten Wechsel oder lasse mich checken, um mich zu motivieren. Ich meine, in Wolfsburg musste ich es quasi machen. Wenn nicht, hätte er die Scheibe an mir vorbei gechippt und hätte einen Zwei-auf-Eins-Konter gehen können. Ich glaube, ich habe ihn ein bisschen zu hart gecheckt. Ich fand aber, dass ich ihn gar nicht mit voller Härte getroffen habe. Auch mit den Schiedsrichterentscheidungen ist es hier ein schmaler Grat. Man muss klug sein. Es gibt Spieler, die sind vermutlich körperlich nicht so stark oder rechnen nicht damit, gecheckt zu werden, womit sie sich in eine ungeschützte Position bringen. Also muss man klug entscheiden, wann man checkt und wann man nicht checkt. Es gehört zu meinem Spiel. Es ist nur ein weiteres Attribut, was ich zu meinem Team beisteuern kann.

Du führst teamintern mit 67 Torschüssen. Es gibt nur zwei weitere Teams, bei denen ein Verteidiger die meisten Torschüsse hat – Micky DuPont in Berlin und Daryl Boyle in München. Was sagt das über den offensiven Output der gesamten Mannschaft hier aus?

Vielleicht müssen wir ein bisschen häufiger aufs Tor schießen. (lacht) Als Verteidiger versucht man einfach, die Schüsse durchzubringen. Gute Dinge passieren, wenn man den Puck aufs Tor bringt. Man bekommt Rebounds, und vielleicht rutscht einer rein.

Dieses Team hat sich vom Gewinnen nach Rückständen zum Verlieren nach Führungen gewandelt. Was ist dazwischen passiert?

Ich weiß nicht, ob ich die Frage beantworten kann. Ich glaube, die Frage musst du Sunny stellen. Was uns als Team angeht, wir haben alle Mittel, alle Systeme und all das andere. Ich weiß nicht, ob wir es nicht richtig umsetzen. Ich glaube, Sunny könnte diese Frage viel besser beantworten als ich.

Patrick Hager meinte vergangene Woche, er glaube, dass einige Spieler noch nicht komplett mit dem System vertraut sind, dass noch nicht alles automatisch abläuft und dass manche Jungs auf dem Eis Zeit zum Denken brauchen. Stimmst du dem zu?

Ein bisschen. Wir müssen das besser lesen und besser reagieren, wenn jemand mehr Zeit zum denken braucht. Wenn er etwas anderes macht, dann müssen wir anders denken, müssen wachsam sein und anders reagieren, wenn es das ist, was passiert.

Aufbaupässe sind ein Problem. Liegt es daran, dass die Stürmer zu schnell auf und davon sind, wenn ihr die Scheibe im eigenen Drittel zurückerobert, so dass sie sich nicht als Anspielmöglichkeit anbieten?

Wir müssen verantwortungsbewusst an beiden blauen Linien sein – in unserem eigenen Drittel und im Angriffsdrittel. Als ich in Wolfsburg aus dem Spiel geworfen wurde, hatte ich die Gelegenheit, das Spiel wirklich zu beobachten und zu sehen, was passiert. Ich fand, wenn man den Puck hat, dann hat man keine Unterstützung. Wir hatten Jungs überall verteilt. Ich glaube, wir müssen uns mehr unterstützen. Das würde das Leben für alle erleichtern.

In der Summe gibt es also eine Menge kleiner Dinge, an denen justiert werden muss. Glaubt ihr, dass ihr noch genug Zeit habt, diese Justierungen hinzubekommen, um einen Playoff-Platz zu sichern?

Es wäre schön gewesen, wenn wir am Anfang ein paar mehr Spiele gewonnen hätten, in denen wir in Führung waren und dann ein Spiel mit einem Bully gegen Schwenningen verlieren und Augsburg mit 0,7 Sekunden auf der Uhr trifft. Das waren ein paar wichtige Punkte, die wir liegengelassen haben. Im Lauf einer Saison gibt es immer Höhen und Tiefen. Jetzt gerade sind wir in einem Tief. Aber es sind noch reichlich Spiele übrig. Es gibt noch eine Menge Punkte zu holen. Je schneller wir die Probleme lösen, umso besser stehen wir da. Ich glaube, wir müssen ein bisschen einfacher spielen. Wir versuchen im Moment manche Dinge zu hübsch zu machen, wenn wir es eigentlich nur einfach halten sollten. Scheiben tief bringen, vorchecken, und das machen, was wir am besten können. Wir sind ein schlittschuhläuferisch starkes Team. Ich glaube, wir sollten das öfter einsetzen gegen langsamere, größere Verteidiger. Zwing sie, sich umzudrehen, und dann mach sie müde, weil es nämlich echt nervt, wenn ein Team die Scheibe tief spielt und man zurück muss, um sie zu holen, und man weiß, dass man jedes Mal gecheckt wird. Dann fängt man an Strafen zu nehmen. Das ist das, was uns in Wolfsburg passiert ist. Dann hat ihr Powerplay den Rest erledigt. So haben sie uns geschlagen.

Freitag wird ein besonderes Spiel für dich persönlich, weil du zum ersten Mal nach Berlin zurückkehren wirst. Freust du dich drauf? Was erwartest du von dem Spiel?

Es wird definitiv seltsam sein, auf der anderen Seite zu stehen. Aber ich werde es wie jedes andere Spiel behandeln. Sie sind im Moment wirklich heiß und spielen gut, also wird es ein weiteres hartes Match für uns. Hoffentlich können wir da mit ein paar Punkten rausgehen.

Wir bedanken uns bei Shawn Lalonde für das Interview.

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

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