Unabhängiges Magazin seit 2003 – Eishockey. Kölner Haie. Köln. DEL.

Hinweis: Dieser Artikel ist älter als sechs Monate. Um immer auf dem aktuellen Stand zu sein nutzt du:

Aktuelle Informationen findest du auf unserer Startseite »

Moritz Müller: “Mich interessiert nur noch, in die Playoffs zu kommen.”

Moritz Müller im Spiel gegen die Thomas Sabo Ice Tigers. Foto: Jürgen Peters.
Moritz Müller im Spiel gegen die Thomas Sabo Ice Tigers. Foto: Jürgen Peters.

Das Wintergame ist Geschichte, der Liga-Alltag kehrt am Freitag zurück, und vor den Kölner Haien liegen die letzten dreizehn Spiele der Hauptrunde. Die spielfreie Woche bot eine gute Gelegenheit, Moritz Müller mit ein bisschen Abstand zu den vergangenen Wochen zu befragen, die Leistungsschwankungen der Mannschaft zu beleuchten und eine Einschätzung zu Douglas Murray aus erster Hand zu bekommen.

Mo, wie lange hattet ihr an den drei Punkten zu knabbern, die ihr in Düsseldorf liegengelassen habt?

Ich würde sagen, gar nicht so sehr. Ich hab mehr an solchen Spielen zu knabbern wie das in Krefeld, wo wir verlieren und man den Eindruck hat, egal was man macht, man wird heute das Spiel nicht gewinnen, weil man einfach nicht gut genug ist. Solche Spiele beschäftigten mich länger. Solche Spiele wie das in Düsseldorf sind leichter zu verarbeiten, weil man wenigstens ein positives Fazit daraus ziehen kann. Da weiß man, ok, das hätte man gewinnen können mit ein bisschen mehr Glück und ein bisschen besserer Chancenverwertung. Damit kann ich besser umgehen.

Charlie Stephens hat nach dem Wintergame direkt gesagt, wie wichtig diese Woche Spielpause für euch ist, weil endlich mal wieder Zeit ist für richtiges Training und Feintuning an einigen Sachen. Siehst du das auch so? Und an was arbeitet ihr im Moment konkret im Training?

Das sehe ich auch so. Wir hatten im Dezember und eigentlich bis jetzt keine einzige normale Trainingswoche. Wir hatten immer nur Training zwischen den Spielen, und das hat einfach eher regenerativen Charakter. Da kann man nicht an taktischen Konzepten oder ähnlichem arbeiten. Das haben wir in dieser Woche jetzt zum ersten Mal wieder. Dienstag konnten wir mal wieder einen konditionellen Grundstein legen. Da haben wir hart gearbeitet und wieder was an der Fitness gemacht, woran wir lange nicht arbeiten konnten. Und heute, am Mittwoch, konnten wir jetzt an taktischen Sachen arbeiten anhand der Spiele, die wir in letzter Zeit gespielt haben. Es war wichtig, an Dingen wie zum Beispiel der defensiven Zuordnung zu arbeiten.

Im November hast du im Haimspiel.de-Interview mit Blick auf die letzte Saison gesagt, dass ihr im Erfolg nicht ehrlich genug zu euch wart. Wie kritisch seid ihr denn jetzt mit dem überaus erfolgreichen Dezember umgegangen?

Guter Punkt. Machen wir uns nichts vor, nach der einen Woche im Dezember mit Siegen gegen drei Top-Teams, da haben wir uns natürlich gut gefühlt. Ich würde aber nicht sagen, dass wir danach zu hoch geflogen und dann abgestürzt sind. Das würde ich nicht als Grund ausmachen.

Ist die Diskrepanz zwischen eurem Spiel in Wolfsburg Ende Dezember und dem in Iserlohn Anfang Januar irgendwie nachvollziehbar zu erklären?

Das Spiel in Iserlohn kann man mit zwei Dingen erklären. Zum einen war es so ein bisschen wie das Spiel Deutschland-Norwegen bei der WM in Stockholm – das 4:12. Man ist immer einen Schritt zu spät, der Gegner nutzt jede Chance und man selber sieht aus wie der letzte Amateur. Zu Beginn des Spiels war von Iserlohner Seite wirklich jeder Schuss ein Treffer. Zum anderen muss man ganz klar sagen, wir haben den Kampf nicht angenommen. Wir sind in Rückstand geraten, es gab aber kein Aufbäumen. Wenn wir das Ding 0:3 oder 1:3 oder 2:3 verloren hätten, wäre es ja gar nicht das Problem. Dass wir aber dermaßen unter die Räder gekommen sind, war das Problem. Das haben wir danach unter uns auch angesprochen. Das darf uns nicht mehr passieren.

Würdest du sagen, dass das Straubing-Spiel eine ausreichende Reaktion auf das Iserlohn-Spiel war?

Schwer zu sagen. Das war natürlich auch ein undankbares Spiel, weil Straubing als abgeschlagener Tabellenletzter nach Köln kam. Wir haben bestimmt nicht unser Spiel bringen müssen, wie wir es in Wolfsburg getan haben, um gegen Straubing zu gewinnen. Allerdings darf man Straubing jetzt auch nicht Unrecht tun. Die hatten vorher immerhin drei Spiele in Folge gewonnen. Straubing kam mir vor wie ein angeschlagener Boxer. Eigentlich bereit, ausgeknockt zu werden, aber wenn man ihn zu weit in den Kampf reinlässt, dann wird er gefährlich. Ich denke, nach dem Iserlohn-Spiel waren auch alle ein bisschen verunsichert. Das darf man auch nicht ganz außen vor lassen. Deswegen war es in allererster Linie wichtig, dass die Reaktion ein Sieg war.

Ihr zeigt als Mannschaft ja immer wieder, was ihr im Optimalfall zu leisten im Stande seid. Sind so krasse Leistungsschwankungen also eine reine Einstellungs- und/oder Kopfsache?

Ja, das ist eine Sache, die wir als Mannschaft hinkriegen müssen. Wenn man gezeigt hat, dass es geht, dann ist schwer zu erklären, warum es dann nicht mehr geht. Man darf das so nicht akzeptieren. Wir haben das in der Mannschaft intern angesprochen. Auch nach dem Krefeld-Spiel nochmal.

Ihr habt im Ligavergleich die fünftwenigsten Gegentore kassiert, nur Mannheim, München, Berlin und Iserlohn haben weniger. Auf der anderen Seite haben nur Straubing und Schwenningen weniger Tore geschossen als ihr. Ist das Beleg für eine eher defensive Ausrichtung oder hapert es nur einfach in der Offensive?

Ich würde sagen, das gehört alles zusammen. Stürmer, Verteidiger, das ist alles eins im Eishockey. Unter Sundblad spielen wir ein sehr offensives System mit pinchenden Verteidigern, die reingehen und den Gegner unter Druck setzen. Die Stürmer und die Verteidiger haben eigentlich alle Freiheiten in der Offensiven Zone. Man kann jetzt auch nicht sagen, die Verteidigung macht einen guten Job, weil wir die fünftwenigsten Gegentore haben. Die Verteidigung ist ja auch dazu da, das Spiel von hinten anzukurbeln mit guten Aufbaupässen. Das ist auch etwas, wo wir alle in den Spiegel gucken müssen und wissen, das kann man besser machen. Am Ende gehört einfach alles zusammen. Man kann es nicht wirklich trennen und sagen, die und die Abteilung hat nicht gut gespielt. Den Schuh müssen wir uns alle anziehen, dass wir einfach nicht produktiv genug sind. Ich denke, wir müssen mehr schießen. Daran besteht kein Zweifel. Wir müssen mehr Druck zum Tor kriegen und in den Angriffen geradliniger spielen.

Mit den Aufbaupässen sprichst du eins meiner aktuellen Lieblingsthemen an. Warum ist an dieser Stelle so ein massiver qualitativer Abfall im Vergleich zur letzten Saison?

Wie gesagt, es hängt alles zusammen. Das können die Verteidiger nicht alleine. So wie die Verteidiger das Spiel von hinten ankurbeln müssen, müssen die Stürmer unterstützen und sich anbieten. Da muss es mit der Abstimmung passen. Aber letztendlich ist das ein Spiegelbild dafür, dass wir nicht das spielen, was wir spielen können.

Der Spielplan in dieser Saison ist schon durchaus knackig, speziell im letzten Monat. Der einzige, der keine Entlastung hat, ist Danny aus den Birken. Ist es im Bewusstsein der Mannschaft, dass euer Goalie 52 Hauptrundenspiele absolviert und vielleicht nicht immer ganz taufrisch sein kann?

Nein. Also, ich hatte den Gedanken noch nie vor einem Spiel, dass Danny mal müde sein könnte. Ich mache einfach meinen Job vorm Torwart so gut wie ich kann. Wenn ihm mal ein Fehler passiert, dann tu ich das genauso weg, wie wenn mir ein Fehler passiert. Zumindest was uns Verteidiger angeht, kann ich da für alle sprechen.

Wie ist dein Eindruck von eurem Trainingsgast Douglas Murray?

Der hat schon eine Präsenz. Ich finde, er macht echt was weg auf dem Eis. Er ist jetzt sicher nicht der Lüde unter den Verteidigern, aber er ist durchaus in der Lage einzuschüchtern. Er ist noch nicht ganz fit. Ich glaube, dass er noch ein bisschen den Anschluss an die Mannschaft finden muss. Aber dann wäre er jemand, der für Präsenz auf dem Eis sorgen könnte.

Murray hat selber schon gesagt, dass er im Training natürlich nicht voll draufgeht. Merkt man trotzdem, dass er etwas mitbringt, was es in dieser Mächtigkeit ansonsten im Team nicht gibt?

Ich glaube, in dieser Mächtigkeit gibt es das in der ganzen Liga nicht. Wir hatten gestern Team-Wiegen. Da hatte er 114 Kilo. Das ist eine Urgewalt. Wir haben das alle schon im Training gesehen, wenn er jemanden berührt, dann merkt man das. Wenn er im weißen Trikot trainiert, dann wissen alle Stürmer in rot schon, dass es nicht einfach wird vorm Tor. Das ist halt seine Rolle.

Siehst du Fortschritte im Training bei ihm, seit er letzte Woche dazugekommen ist?

Ja, das sehe ich absolut. Er meinte in seinem ersten Training bei uns selber auch schon, dass er da noch die Reise in den Knochen hatte und war davor anderthalb Wochen nicht auf dem Eis. Das spürt man sofort. Er hat sich selber noch ein bisschen steif und unbeweglich gefühlt. Ich sehe auf jeden Fall eine Entwicklung. Er gewöhnt sich auch an die größere Eisfläche.

Die größere Eisfläche ist ein gutes Stichwort. Murray weiß und sagt von sich selber, dass er nicht sonderlich schnell ist. Traust du ihm die weiten Wege auf dem Eis – auch mit den vergrößerten Angriffszonen – zu?

Das trau ich ihm zu. Er bräuchte sicherlich einen laufstarken Partner. Es wäre ja auch nicht unbedingt seine Rolle, Räume zuzulaufen. Ich glaube, er würde seine Rolle ganz genau kennen. Ich könnte mir vorstellen, dass gegnerische Stürmer zweimal überlegen, ob sie im Powerplay mit Douglas Murray vorm Tor stehen wollen oder zum Rebound gehen oder in die Ecke. Das ist sein Spiel. Wenn er seine läuferischen Defizite damit wieder wettmacht, dann ist es halt eine Coaching-Entscheidung, wie sehr man denkt, dass man das eine braucht.

In Sachen Physis war Tim Conboy in der Ingolstädter Meistermannschaft ein wichtiges Element. Braucht man das heutzutage? Und wie sehr fehlt euch das tatsächlich?

Im Finale gegen Ingolstadt hat Tim Conboy sicherlich eine Rolle gespielt. Aber wenn ich zum Beispiel an Berliner Meistermannschaften denke, dann habe ich da niemanden wie Conboy in Erinnerung, der da Angst verbreitet hätte. Ich würde schon sagen, dass so eine Komponente über das gesunde Maß an Härte hinaus in den Playoffs für eine gewisse Verunsicherung sorgen kann. Das glaube ich schon.

Bis zu den Playoffs sind noch dreizehn Hauptrundenspiele zu absolvieren. Wie geht ihr die an? Ganz stumpf von Spiel zu Spiel?

Ja, und das ist wirklich keine Floskel. So inkonstant, wie wir durch die Saison gegangen sind – mit sehr guten und sehr schlechten Spielen – ist es jetzt schwer, irgendwelche Berechnungen für die nächsten dreizehn Spiele aufzumachen. Es ist wirklich so, dass wir sagen, es geht jetzt nur noch von Spiel zu Spiel. Es gibt keinen bei uns, der jetzt eine Hochrechnung macht. Vor Spielen gegen Krefeld oder Nürnberg weiß man natürlich, dass es da knallhart um die Platzierung geht. Mich persönlich interessiert im Moment auch nicht mehr, was im Dezember war oder was Anfang Januar war. Mich interessiert nur noch das nächste Spiel und das Ziel, in die Playoffs zu kommen.

Wir bedanken uns bei Moritz Müller für das Interview!

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

Vorheriger Artikel

Haimspiel.de mit neuer Website

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.