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Douglas Murray: “Respekt muss man sich verdienen.”

Douglas Murray im Interview. Foto: Steffen Thaut
Douglas Murray im Interview. Foto: Steffen Thaut

Seit Douglas Murray das erste Mal das Trikot der Kölner Haie im Spiel gegen die Adler Mannheim getragen hat, ist er zu sowas wie einer Attraktion geworden. Höchste Zeit, den Charakter hinter der robusten Fassade kennenzulernen. Im Interview spricht der schwedische Verteidiger darüber, worauf es beim Checken ankommt, wer es ihm beigebracht hat und wie wichtig es ihm ist, in einem Team gebraucht zu werden.

Douglas, wie zufrieden bist du mit den Fortschritten, die du über die letzten Wochen im Training und mit den zwei absolvierten Spielen gemacht hast?

Ich glaube, ich habe noch eine Menge mehr zu geben. Das letzte Spiel war wirklich frustrierend. Wenn meine ersten beiden Spiele zwei Siege gewesen wären, wäre ich viel zufriedener. Ich würde sagen, es ist ok bis jetzt. Man kann nie zufrieden sein. Wenn man zufrieden ist, dann hört man auf, besser zu werden. Ich bin nie wirklich zufrieden.

Nach dem Mannheim-Spiel hast du gesagt, du warst nicht oft am Puck und konntest das Spiel kaum mitgestalten. Hast du das Gefühl, dass du inzwischen ein bisschen mehr involviert bist?

Im letzten Spiel hatten wir insgesamt als Team nicht genug Scheibenbesitz. Von daher war es in dem Spiel schwer, mehr involviert zu sein. Aber ich hoffe, dass ich mich in Zukunft mehr ins Spiel einschalten kann. Ich wäre gerne häufiger an der Scheibe.

Nach dem Wolfsburg-Spiel wurdest du gefragt, ob du darüber nachdenkst, dass ihr die Playoffs verpassen könntet. Du hast geantwortet, dass das keine Option ist. Ist das eine Haltung, die alle in der Kabine teilen?

Das hoffe ich doch sehr. Als ich hier unterschrieben und auf die Tabelle geschaut habe, habe ich persönlich den 6. Platz ins Auge gefasst. In den Playoffs ist Regeneration eine Waffe. Es wäre wichtig, die Pre-Playoffs zu vermeiden. In einer Best-of-Three-Serie kann schnell etwas schiefgehen, selbst wenn man gut spielt. Man trifft vielleicht auf einen gut aufgelegten Goalie, der womöglich zwei Spiele gewinnt. Wir sollten also den 6. Platz zumindest anvisieren und nicht damit zufrieden sein, es überhaupt in die Playoffs zu schaffen. Wenn man mit so wenig zufrieden ist, dann kommt man in den Playoffs nicht weit. Es ist zwar ein Klischee, aber wir müssen gerade ein Spiel nach dem anderen angehen.

Die große Mehrheit hier hat dich nie in der NHL spielen sehen. Stört es dich, dass du hier in der breiten Wahrnehmung so sehr auf deine reine Physis reduziert wirst?

Den Stempel habe ich in ganz Europa verpasst bekommen. Den Stempel habe ich auch in Schweden verpasst bekommen, obwohl ich bei den Olympischen Spielen gespielt habe. Den größten Teil meiner Karriere in der NHL hatte ich 18 bis 20 Minuten Eiszeit pro Spiel. Die Eiszeit kriegt man nicht als reiner ‚tough guy‘ in der NHL. Ich weiß, was ich kann. Wenn man anfängt, sich darüber Gedanken zu machen, was die Medien über einen schreiben, und sich das zu Herzen nimmt, dann ist man als Profi-Sportler in großen Schwierigkeiten. Einige Leute werden immer behaupten, man ist besser als man wirklich ist. Andere Leute werden immer behaupten, man ist schlechter als man wirklich ist. Ich habe sehr früh gelernt, dem nicht zu viel Aufmerksamkeit zu widmen. Was mir wichtig ist, ist in erster Linie, was meine Mannschaftskameraden und die Trainer über mich denken. Das ist alles, was mir wichtig ist. Mir ist egal, was alle anderen über mich sagen.

Dir wird von deinen ehemaligen Teamkollegen nachgesagt, großen Einfluss in der Kabine zu haben. Wenn man so spät in der Saison zu einem Team stößt, ist ja schon eine Hierarchie etabliert. Wie hast du dich da eingefädelt?

Das ist mir relativ leicht gefallen. Ich habe versucht, nicht zu viel Raum einzunehmen, weil man respektvoll dem gegenüber sein muss, wie die Strukturen im Team sind. Das soll nicht heißen, dass ich unbedingt still war. Aber meiner Ansicht nach muss man sich Respekt verdienen. Nur weil ich neun Jahre in der NHL gespielt habe, kann ich ja nicht hier reinkommen und den Jungs sagen, was sie zu tun haben. Man muss sich beweisen und hart spielen und sich auf dem Weg Respekt verdienen. Man investiert Arbeit auf und neben dem Eis und beschwert sich nicht. So verdient man sich Respekt. Das habe ich versucht zu tun. Man nimmt dann vielleicht mit der Zeit mehr Raum ein, wenn man das Vertrauen seiner Mannschaftskameraden hat.

Warst du überrascht, dass du einen so großen Effekt auf die Mannschaft hattest?

Ich hatte mitbekommen, dass sie einen kleinen Zündfunken, vielleicht ein bisschen mehr Körperspiel im Team gebrauchen konnten. Das war einer der Hauptgründe, warum ich fand, dass ich hier gut reinpasse. Ich wusste, dass das etwas ist, was ich liefern kann. Wenn sie einen Quarterback fürs Powerplay gesucht hätten, dann hätte ich wohl nicht hier unterschrieben, denn das ist nicht das, was ich bin. Ich bin nunmal kein Offensivverteidiger. Letztendlich war ich nicht besonders überrascht. Ich war froh, dass ich mich auf das konzentrieren konnte, was ich am besten kann.

Die Montreal Canadiens haben dich zusammen mit George Parros letztes Jahr ins Team geholt, weil sie in einem ansonsten überwiegend technisch-filigranen Kader mehr Physis und Schutz für ihre Starspieler wollten. Ist es hier ein bisschen entspannter für dich, weil es in dieser Liga nicht Spielertypen wie z.B. John Scott gibt und du hier nicht eine solche Bewacher-Aufgabe erfüllen musst?

Ich finde eigentlich, dass es Spaß macht, von größeren Gegnern herausgefordert zu werden. Ich hatte nie Angst vor irgendjemandem auf dem Eis. Ich bin aber auch immer noch ein bisschen sauer, weil die Canadiens uns zwar geholt haben, um genau das ins Team zu bringen, aber sie haben uns nie wirklich dafür eingesetzt. Sie wurden im Jahr zuvor in den Playoffs von den Ottawa Senators physisch dominiert. Dann kamen George und ich dazu, aber wir wurden kaum eingesetzt. Jetzt muss man natürlich sagen, dass sie alles richtig gemacht haben, weil sie es letztes Jahr bis ins Conference-Finale geschafft haben. Aber es war schon frustrierend, wenn man gesagt bekommt, dass man gebraucht wird, dann aber nicht zum Einsatz kommt. Hier in Köln bin ich für das eingekauft, was ich bin, und werde auch eingesetzt. Ich bin hier gerade viel glücklicher, als ich es in Montreal war.

Ich habe gehört, dass du ein wenig traurig warst, dass Mannheims größter Spieler, Denis Reul, im Spiel nicht dabei war. Stimmt das?

Woher weißt du das denn? (lacht) Man will sich natürlich immer mit dem besten Line-Up des Gegners und mit den größten Spielern des Gegners messen. Aber vielleicht sieht man sich ja in den Playoffs nochmal.

Du hast schon immer von dir selbst gesagt, dass du nicht besonders schnell bist. Wie schaffst man es als eher langsamer Spieler schnellere Gegner zu checken?

Beim Checken ist Timing das wichtigste. Ich habe so viele große, schnelle Spieler erlebt, die ums Verrecken nicht checken können. Andererseits gibt es Spieler, die nicht so schwergewichtig sind und trotzdem sehr hart checken können. Checken ist eine Kunst. Ich habe natürlich ein paar Kilo mehr als die meisten Spieler. Das hilft natürlich auch. Aber es geht in erster Linie ums Timing und darum, mit welcher Einstellung man es angeht. Wenn ich mit jemandem zusammenstoße, dann krümme ich mich nicht zusammen wie die meisten Leute. Ich lege immer mein Gewicht hinein. Was das Timing angeht, versucht man, dem Gegenspieler das Momentum zu nehmen und den Check zu landen, bevor er bereit dafür ist. Als ich aufgewachsen bin, habe ich mit meinem Großvater viele Spiele angeschaut. Er hat mir gezeigt, wann und wie man den Gegner checkt. Wenn man es dann oft genug selbst macht, wird man gut darin. Ein weiterer Faktor ist Stolz. Ich bin stolz darauf, dass man mich nur schwer umhauen kann.

Du rechnest deine „Hit first“-Mentalität auch deinem Großvater an. Er hat es dir also beigebracht?

Ich bin als Kind mit ihm und seinem ehemaligen Verteidiger-Partner zu vielen, vielen Djurgarden-Spielen gegangen. Da haben sie mir dann immer gezeigt, worauf es ankommt. Er hat mir viel beim Spielen zugesehen, als ich jung war, und hat mich auf viele Dinge hingewiesen. Es kam aber auch ein Stück weit von selbst, weil ich immer einer der größeren Jungs war. Und ich war ziemlich gut darin.

Douglas Murray im Interview. Foto: Steffen Thaut

Douglas Murray im Interview. Foto: Steffen Thaut

Im Laufe deiner Karriere musstest du dein Spiel immer wieder Regeländerungen anpassen. Wie groß ist die Umstellung auf die hiesigen Gegebenheiten gewesen? Und wie vorsichtig näherst du dich hier der Grenze des Legalen an?

Ich glaube, die Richtlinien haben sich inzwischen überall auf der Welt angenähert. Ich habe vielleicht drei- oder viermal ändern müssen, wie ich Gegner in der NHL checke. Früher war ein „blindsided hit“ ein Super-Check. Ich meine, man muss sich nur mal die Scott Stevens Highlights angucken. Da lagen Jungs fast tot auf dem Eis, aber es galt als fantastischer Check. Heute würde das eine Serie ändern, weil man den Rest der Playoffs dafür gesperrt würde. Dann kam die Änderung, dass der Kopf nicht der erste Kontaktpunkt sein durfte. Dann durfte man Gegner nur noch frontal checken. Dann durfte man den Kopf überhaupt nicht mehr berühren. Es hat sich viel an den Regeln geändert. Ich wurde nur einmal gesperrt, obwohl ich wirklich viel checke. Das war in der letzten Saison, als ein Gegner im letzten Moment einen Move gemacht hat, und ich keine Chance hatte, meinen Schwung zu stoppen. Ich glaube, mein Ellenbogen kam ein bisschen hoch. Das war unglücklich. Das war nicht beabsichtigt. Insgesamt hatte ich ziemlich wenig Strafminuten, bis auf eine Saison, in der ich ein paar Fights hatte. Ich bin sehr stolz darauf, so wenig Strafzeiten zu kassieren. Ich mache hier nichts anders. Die Checks, die ich hier fahre, sind genau nach den Regeln.

Die schwedischen Medien haben ein Auge darauf, wie du dich hier so machst. Siehst du dein Engagement hier auch als Chance, dich für einen Vertrag in Schweden zu empfehlen?

Solange ich noch Schlittschuhe anziehe, wird mein Ziel immer die NHL bleiben. Ich weiß, dass ein Comeback sehr schwer ist, wenn man mal ein Jahr nicht drüben gespielt hat. Das soll keine Beleidigung für die DEL oder irgendeine andere Liga sein, aber die NHL ist nunmal die beste Liga der Welt mit den besten Spielern der Welt. Da will man spielen. Wenn ich mal nicht mehr das Ziel habe, in der NHL zu spielen, dann höre ich auf. Wenn ich den Ehrgeiz nicht mehr habe, so gut wie möglich zu sein, dann wäre es auch nicht fair gegenüber einem Team, für das ich dann womöglich in Europa spiele. Ich visiere die NHL an. Und was passiert, passiert.

Dein ehemaliger Teamkollege Ryan Clowe hat dich „Mr Travel Guide“ genannt, weil du auf den Auswärtstouren immer derjenige warst, der wusste, wo die guten Restaurants sind. Hier bist du jetzt erstmal auf die Empfehlungen der anderen angewiesen. Was gab’s für Vorschläge?

Ich habe eine Menge Empfehlungen von den Jungs für die verschiedensten Dinge bekommen. Aber eine war besonders gut: Ich liebe Schnitzel bei „Oma Kleinmann“! Da war ich jetzt schon dreimal. Es gibt aber keine Pommes Frites dazu. Ich versuche noch ein bisschen mehr abzunehmen, um auf dem Eis schneller zu werden. Seit ich hier bin habe ich dreieinhalb Kilo abgenommen. Hier sind die Wege auf dem Eis weiter und es ist nicht so viel Stop-and-Go. Da hilft es, ein wenig leichter zu sein.

Wo wir gerade bei den ehemaligen Teamkollegen aus San Jose sind: Du warst da lange und hast nicht einfach ein Team, sondern auch eine Menge Freunde zurücklassen müssen. Joe Thornton ist einer deiner besten Freunde. Schaffst du es überhaupt noch, mit ihm regelmäßig in Kontakt zu bleiben?

Absolut. Wir halten den Kontakt. Jetzt sind wir natürlich inzwischen alle erwachsen. Es ist nicht mehr so wie mit zwanzig, als man unbedingt jeden Tag miteinander reden musste. Wir sprechen uns manchmal alle paar Wochen, manchmal ein paar Mal in einer Woche. Ich bin mit einigen von den Jungs in Kontakt geblieben. Wir besuchen uns gegenseitig im Sommer. In erster Linie natürlich Joe Thornton, weil ich ja der Patenonkel seiner Söhne bin. Das ist zusätzlich ein guter Grund, sich zu besuchen. Es ist immer schön, sie zu sehen.

Wir bedanken uns bei Douglas Murray für das Interview.

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

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