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Der Trainerwechsel als Chance

Cory Clouston bei seiner Antritts-Pressekonferenz. - Foto: Steffen Thaut

„Man kann seine Autorität in der Kabine spüren. Keiner hat irgendwelche Zweifel an ihm. Er hat eine starke Präsenz. Er weiß offensichtlich, was er tut“, beschreibt Shawn Lalonde seinen ersten Eindruck von Cory Clouston. In seiner ersten Trainingseinheit mit der Mannschaft konnte der neue KEC-Headcoach heute nun auch einen besseren Eindruck von der Mannschaft gewinnen – und der fiel in vielen Belangen positiv aus. „Das Wichtigste ist, dass die Jungs lernwillig sind. Sie wollen als Mannschaft erfolgreich sein. Und sie blicken enthusiastisch nach vorn. Sie wissen, dass es nicht einfach werden wird. Sie haben mir vermittelt, dass sie bereit sind, hart zu arbeiten, um die Wende zu schaffen“, gibt Clouston in seiner Antritts-Pressekonferenz zu Protokoll.

„Ich erwarte viel von meinen Spielern, aber genau das erwarte ich auch von mir selbst.“ erklärt der 46-jährige Kanadier. „Sie werden schnell lernen, dass ich ein fairer Typ bin. Wenn du hart arbeitest, hart und richtig spielst, dann wirst du immer auf meiner guten Seite sein. Wenn nicht, dann wird es vielleicht nicht so angenehm für dich laufen.“ Das sagt Clouston zwar in freundlichem, ruhigen Ton, impliziert aber genau die Konsequenzen für Spieler, die nicht mitziehen, die unter Niklas Sundblad weitestgehend gefehlt haben und deren Mangel von der Mannschaft kritisiert wurde. Dass sich jeder seine Eiszeit verdienen soll, wurde aus den Reihen der Spieler (unter anderem von Patrick Hager) immer öfter gefordert.

Clouston scheut sich nicht, dieses Mittel im Bedarfsfall einzusetzen, weiß aber auch um die Sensibilität des Themas: „Coachen ist ein bisschen eine Wissenschaft. Es gibt keine strikten Regeln, die sagen: wenn du dieses und jenes machst, passiert das und das. Es gibt immer Spielräume und vor allem Intuition. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum man zu bestimmten Maßnahmen greift. Man hat verschiedene Mittel, um zu den gewünschten Resultaten zu kommen. Einen Spieler auf der Bank sitzen zu lassen, ist sicher eines davon. Einen Spieler auf die Tribüne zu setzen, ist ein weiteres. Einen Spieler für einen oder zwei Wechsel sitzen zu lassen, ist auch eins. Aber manchmal muss man einem Spieler auch die Chance geben, sich aus einem Tief herauszuarbeiten. Nichtsdestotrotz hat man diese Mittel zur Verfügung. Ich habe die in der Vergangenheit schon genutzt, und ich werde es im Zweifelsfall wieder tun. Ich habe auch die Eiszeit von jemandem wie Dany Heatley damals in Ottawa von 23 Minuten auf 12 Minuten reduziert. Wir hatten deshalb aber kein Problem miteinander. Er hat das verstanden. Das hat uns zu einem besseren Team gemacht.“

Er wird aber nicht alle über einen Kamm scheren: „Einigen Spielern gibt man ein bisschen mehr Freiraum, weil man aufgrund ihrer Jugend damit rechnet, dass sie ein paar mehr Fehler machen. Andere Spieler haben eine größere Rolle, und man hat höhere Erwartungen an sie. Es gibt also nicht für alle die gleiche Messlatte. Man muss zumindest am Anfang allen einen gewissen Raum für Fehler lassen, damit sie daraus lernen können. Wenn man mit der Angst spielt, dass man bei einem Fehler sofort auf der Bank bleibt, dann hilft das niemandem. Wir dürfen das Selbstvertrauen der Jungs nicht zerstören. Wir sind aktuell ein Team, das nicht das größte Selbstvertrauen hat. Das hat man allein gestern [beim Spiel in München] gesehen.“

Die Mannschaft bekommt jetzt in kürzester Zeit eine Menge Input, um zukünftig sicherer aufzutreten. Clouston erklärt: „Wenn Fehler passieren, dann investieren wir eine Menge Zeit im Training darauf, die zu korrigieren. Vor und nach dem Training verbringen wir Zeit an der Taktiktafel. Das ist im Moment natürlich ein Crash-Kurs. Es ist vergleichbar, als wenn man die Schulzeit von der ersten Klasse bis zum Abitur in zwei Jahren absolvieren muss.“

Ganz ohne Vorkenntnisse über die Eigenheiten und Persönlichkeiten innerhalb der Mannschaft geht Clouston seine Arbeit aber nicht an: „Ich schaue nicht besonders auf das, was hier in der Vergangenheit passiert ist. Ich muss nach vorne schauen. Ich sage nicht, dass jeder der Spieler ein unbeschriebenes Blatt ist und bei null anfängt, aber wir müssen nach vorne schauen, weil wir nicht mehr viel Zeit haben.“

Bereits direkt nach dem Spiel in München sprach Cory Clouston darüber, dass er sich im Laufe seiner Trainerkarriere immer an die jeweilige Liga mit ihren speziellen Aufgabenstellungen anpassen musste. Die DEL sieht er für die Aufgabenstellung an sich selbst als eine Mischung von Top- und Ausbildungs-Liga: „Es gibt ältere Spieler neben jüngeren Spieler, die noch in der Entwicklung sind. Es ist vielleicht vergleichbar mit der AHL, in der man sowohl mit Veteranen arbeitet als auch mit jüngeren Spielern, die noch am Beginn ihres Weges stehen. Man muss mit beiden unterschiedlich umgehen, aber für alle geht es gleichermaßen darum, das bestmögliche Niveau zu erreichen und dann auch zu halten. Man muss seine Erwartungen an die unterschiedlichen Spieler anpassen. Sie sind alle an unterschiedlichen Punkten in ihrer Karriere.“

Um als Mannschaft das bestmögliche Niveau zu erreichen, will der neue Coach die Stärken optimal nutzen: „Wir sind ein läuferisch starkes Team. Aber im gestrigen Spiel waren wir ein wenig zögerlich. Wir setzen unser Tempo, unsere Fähigkeiten und unser Talent nicht in Kombination ein. Es sieht so aus, dass wir eher zu Erfolg durch individuellen Einsatz als durch die Arbeit als geschlossene Gruppe kommen. Erfolgreiche Teams sind nicht ausschließlich von besonderen Einzelaktionen individueller Spieler abhängig. Erfolgreiche Teams verlassen sich auf ihre Teamstruktur als Basis. Da müssen wir hinkommen. Wir haben Speed, wir haben Talent, wir haben eine gute Gruppe von Jungs hier, die besser werden wollen. Wenn man das nicht hat, dann ist man in Schwierigkeiten. Aber wir haben das hier.“

Neben der herzustellenden Teamstruktur wird es auch ein neues System zu etablieren geben. Ob Clouston dabei zum Erreichen und Sichern eines Playoff-Platzes eher den konservativ-defensiven oder den taktisch offensiven Weg wählen will, beantwortet er so: „Für mich geht das beides Hand in Hand. Wir wollen ein ‚puck possession‘-Team sein. Wir wollen in der Lage sein, als Einheit anzugreifen. Wir wollen als Einheit kreativ sein. Aber wir wollen auch auf Basis unserer Struktur als Einheit verteidigen. Für mich kann gutes offensives Hockey aus gutem defensivem Hockey resultieren. Man tut sich keinen Gefallen damit, die meiste Zeit verteidigend im eigenen Drittel zu verbringen, sich müde zu arbeiten und dann die Scheibe einfach nur rauszuspielen und zum Wechsel zu fahren. Für mich ist Hockey ein Umschalt-Spiel. Je besser man aus der Defensive in die Offensive umschaltet, umso besser ist man. Genauso wichtig ist das Umschalten von Offensive auf Defensive, um die Scheibe so schnell wie möglich zurück zu bekommen. Das muss in beide Richtungen funktionieren.“ Neben den Specialteams wird genau dieser Punkt der Wichtigste zu bearbeiten sein.

Die Reihenkonstellationen hatte Clouston am Freitagabend in München zunächst so übernommen, wie er sie bei seiner Amtsübernahme vorgefunden hat. Im Laufe des Spiels stellte er dann aber vereinzelt um. “Erfolgreiche Reihen haben immer zwei Spieler, die gut harmonieren und die man dann um einen dritten Spieler ergänzt. Das versucht man zu finden”, so der Kölner Cheftrainer. Im Training am Samstag arbeitete er weiter an den Formationen. Voll mit im Training war auch Jason Williams. Der planmäßige 1.-Reihe-Center steht offenbar kurz vor seiner Rückkehr ins Line-Up. Einen Einsatz bereits am Sonntag im Spiel gegen Mannheim schloss Clouston nicht aus: “Das sehen wir morgen. Ich möchte es jetzt nicht versprechen, wenn es noch nicht ganz sicher ist.”

Über seinen Co-Trainer Thomas Brandl sagt Clouston: „Wir hatten ein sehr gutes Gespräch. Vielleicht das beste Gespräch, das ich jemals mit jemandem für diesen Posten hatte. Er bringt eine Menge Erfahrung in dieser Liga mit, die ich nicht habe. Er kennt die Spieler ziemlich gut. Ich brauche Hilfe. Wenn ein Coach sagt, dass er keine Hilfe braucht, dann lügt er. Jeder Coach ist nur so gut wie seine Assistenz-Trainer. Ich brauche keine Ja-Sager. Ich brauche jemanden, der seine Perspektive und seine Meinung vertritt. Dann kann man eine offene Diskussion führen und einen anderen Blickwinkel gewinnen. Auf diese Art und Weise kann man sich als Coach und als Team verbessern.“

Für das Team gibt es eine Menge zu verbessern. Aber die Mannschaft scheint gewillt zu sein, den Neustart mit dem neuen Trainer für sich zu nutzen. Neben den taktischen und strukturellen Veränderungen wird es aber vor allem auch darum gehen, schlechte Gewohnheiten abzulegen. Cory Clouston will ihnen dabei helfen. Fürs erste klingt es nicht danach, als müsste er dazu übermäßig die Peitsche schwingen. Wenn jeder einzelne Spieler den Trainerwechsel als Chance begreift, wird das vielleicht auch nicht in dem Maß nötig, zu dem Cory Clouston in der Lage ist.

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

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Thomas Brandl neuer Co-Trainer der Haie

3 Kommentare

  1. Traumpass
    23.01.2016

    Irgendwie schon kurios: Stand heute bin ich überhaupt nicht davon überzeugt, dass die Haie die Play-offs noch erreichen, denn Ingolstadt und auch Straubing sind schon länger ‘on fire’, während sich die Haie nachhaltig ins Trümmerland verabschiedet haben. Nach aktuellem Leistungsstand ‘kämpft’ man mit den Freezers realistisch eher um Platz elf – also dem ersten Platz der Saison-Versager.

    Und trotzdem habe ich mit dem aus der Not geborenen Trainer-Duo Clouston/Brandl mit das beste Gefühl auf der Trainerposition seit 2008. “Aus der Not”, weil ich wirklich nicht glaube, dass Gotthardt und Schönberger vor 10 Tagen überhaupt schon einmal einen Trainerwechsel als Plan B ernsthaft in Betracht gezogen hatten. Ich glaube sogar, dass sie nach wie vor von seinem Fachwissen und seiner Akribie überzeugt sind – nur was nützt das alles, wenn man keinen Draht zum Team hat bzw. dieses einem überhaupt nicht folgen will? So geschehen schon vor einem Jahr hier in Köln und auch im Jahr davor in Ingolstadt. Der dortige Meistertitel gebührt auch einem Niklas Sundblad zweifellos, aber wer die Berichterstattung und die Interviews dort seinerzeit konsequent verfolgt hat, dürfte vermutlich auch zu der Einschätzung kommen, dass dort auch noch ganz andere Faktoren eine wesentliche, vielleicht sogar einmalige Rolle gespielt haben.

    Man mag die ersten Aussagen von Clouston als Allgemeinplätze oder gar Floskeln abtun, die beinahe jeder Trainer bei seinem Amtsantritt zum Besten gibt, aber wann hat man solche Aussagen denn speziell in Köln in dieser Form das letzte Mal gehört? Meine eigenen Erinnerungen sind da fast noch schwarz-weiß..

    Nach der Niederlage gegen Krefeld, vor allem wegen der Art des Zustandekommens, hatte ich mich emotional schon komplett aus der Saison verabschiedet, wie im Vorjahr nach der 1:3 Heim-Peinlichkeit gegen die DEG mit gefühlten 45 Minuten Überzahl, der großkotzig angekündigten Revanche (Ha, ha!) für die Niederlage beim Winter-Game.

    Jetzt ist meine Neugier auf jeden Fall neu entfacht, und ich wünsche dem neuen Trainerteam viel Erfolg!

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