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Beeindruckender Sieg vor beeindruckender Kulisse

Torjubel beim 5:1-Sieg im zweiten Halbfinalspiel gegen München - Foto: Steffen Thaut

„Freitag wird wieder ein wichtiges Spiel. Und das vor 18.000 Zuschauern“, hatte EHC-Headcoach Don Jackson schon nach dem Auftaktsieg seiner Mannschaft in München am Mittwochabend gesagt. Doch er kann nicht mit dem gerechnet haben, was ihn und sein Team in Spiel 2 erwarten sollte.

Die Lanxess Arena war nicht nur voll. Sie war aufgepumpt. Die 18.068 Anwesenden waren nicht nur zum Zuschauen da. Am Freitagabend stellte sich die Frage nicht, ob der Funke von den Rängen aufs Eis oder vom Eis auf die Ränge springen würde. Die Kölner Haie waren vom ersten Bully an genauso bereit wie die Fans. Und das lieferte in der Summe genau das, was der Mannschaft im ersten Halbfinalspiel gefehlt hatte: Emotionen.

„Wir sind heute wesentlich besser schlittschuhgelaufen als in München“, befand Hager. „Wir hatten durch alle vier Blöcke und alle Verteidigungsreihen wesentlich mehr Energie. Vor so einer Kulisse hier ist es nicht schwer, sich zu bewegen. Die pushen einen unglaublich. Das war heute eine Wahnsinns-Stimmung. In den Playoffs sind wir bisher unglaublich heimstark. Großes Kompliment an die Zuschauer.“

„In einem Heimspiel vor 18.000 Fans braucht man keine weitere Motivation, um emotional ins Spiel zu finden“, meinte auch Ryan Jones.

Der EHC versuchte von Beginn an, das Tempo – wie schon zwei Tage zuvor – hoch zu halten. Doch im Gegensatz zu Spiel 1 waren die Haie am Freitagabend wacher, agiler und lauffreudiger. Die Münchner brachten zwar wieder zahlreiche Distanzschüsse durch, doch die Aufräumarbeiten nach Rebounds vor dem eigenen Tor erledigten die Haie deutlich konsequenter. Zudem zeigten sie ein schnelles Umschaltspiel, mit dem sie den offensiv aggressiv und tief im Kölner Drittel agierenden EHC ein ums andere Mal überraschten.

Zudem fanden die Haie zur Effektivität vorm Tor aus dem Viertelfinale zurück. Schon in der 4. Minute brachte Patrick Hager den KEC in Führung. Gut zwei Minuten später erhöhte Nick Latta auf 2:0. Was sich aufgrund des ausgeglichenen Spiels schon komfortabel anfühlte, baute Ryan Jones mit seinem ersten Treffer nach seiner langen Verletzungspause kurz vor Drittelende noch auf 3:0 aus.

„Ich habe die ganze Zeit gesagt, dass ich genauso glücklich bin, wenn wir am Ende den Titel holen, ohne dass ich ein Tor mache. Unsere Reihe hat gut gespielt. Ich fand, die ganze Mannschaft hat gut gespielt“, gab sich Jones gewohnt als Teamplayer. „Wenn man erstmal ein paar Tore vorne liegt, dann ändert sich die Dynamik im Spiel ein bisschen. Es ist natürlich schön, seinen Teil dazu beizutragen. Aber das war nur ein Spiel. Das macht noch nicht so viel aus. Ich muss dem Team weiterhin helfen zu gewinnen. Wenn wir eine weitere Reihe sein können, die Tore macht, dann nimmt das eine Menge Druck von Hager, Gogulla und Salmonsson. Wir werden schwer zu schlagen sein, wenn wir mehr als eine Reihe zum Laufen bekommen.“

Die zum heutigen Spiel neu formierte Reihe mit Jones, Falk und Aslund, der für Charlie Stephens ins Line-Up gekommen war, lief an beiden Enden des Eises rund. Besonders die Bissigkeit von Andreas Falk in der Defensivarbeit in der eigenen Zone brachte die Formation immer wieder in Scheibenbesitz, aus dem sie bei Jones‘ Treffer Kapital schlagen konnten und sich weitere gute Möglichkeiten erspielte.

„Aslund hatte die letzten beiden Spiele nicht gespielt. Er hat sich darauf gefreut, zurück im Aufgebot zu sein“, berichtete Falk nach der Partie. „Jones und ich haben im letzten Spiel nicht so gut abgeliefert, deshalb wollten wir uns und allen anderen heute beweisen, dass wir es besser können. Wir haben uns heute eine Menge Chancen erarbeitet.“ Und Per Aslund ergänzte: „Es hat Spaß gemacht. Es sind genau diese Spiele, in denen man spielen will. Ich hab mich gut gefühlt. Ich war bereit.“

„München hat vier gute Reihen. Wir wollten unsere drei Top-Reihen so gut aufstellen, wie wir können, und unsere vierte Reihe musste mindestens so gut sein wie die vierte Reihe [der Münchner]. Das war unser Ziel“, erklärte Cory Clouston die Umstellung im Line-Up. „Man kann ein Team wie München nicht schlagen, ohne dass jeder in der Mannschaft seinen Teil dazu beiträgt.“

Der deutliche Rückstand nach dem ersten Drittel setzte den Gästen sichtlich zu. Sie suchten ihr Heil zwar weiterhin in aggressiver Offensive, aber dass die Belohnung mit einem Treffer auf sich warten ließ, begann das Nervenkostüm der Münchner anzukratzen. Die Folge war eine Reihe von Undiszipliniertheiten, die Don Jackson sehr verärgerten. „Ich bin im Moment sehr sauer“, eröffnete der EHC-Headcoach die Pressekonferenz nach der Partie. „Wir hatten keine Disziplin. Ich bin sehr enttäuscht von unserer Mannschaft.“

Den Reigen der Strafzeiten läutete Florian Kettemer schon kurz vor Ende des ersten Drittels mit einem Stockschlag ein. Im Mittelabschnitt folgte Matt Smaby mit einer 2+10 für einen Check gegen den Kopf. Yannic Seidenberg brachte seine Mannschaft kurz darauf mit einem weiteren Stockschlag sogar in doppelte Unterzahl. Diese nutzte Patrick Hager mit seinem zweiten Treffer des Abends zum 4:0. Noch in der Spielunterbrechung direkt nach dem Treffer kassierten die Gäste die nächste Strafe, als die Schiedsrichter Steve Pinizzotto zum zweiten Mal in der Partie für einen Stockschlag in die Kühlbox schickten. Doch die erneute doppelte Unterzahl überstanden die Gäste dieses Mal schadlos – vor allem Dank David Leggio. Nach einem Hohen Stock von Alexander Weiß und einem Revanche-Stockschlag von Frédéric St.-Denis marschierten beide Delinquenten auf die Strafbank. Es folgten noch Jeremy Dehner, Jason Jaffray und Mads Christensen im Mittelabschnitt. Der Frust der Gäste war spürbar. Daran änderte auch der Anschlusstreffer zum 1:4 durch Steve Pinizzotto in der 37. Minute nichts.

Zum Schlussdrittel hatten sich die Münchner offensichtlich nochmal zusammengerauft und drängten mit allen Mitteln nochmal zurück in die Partie. Die Haie gerieten immer wieder unter Druck und fingen sich auch ein paar Konter ein. Als Aslund bei einem dieser Gegenstöße im Backcheck eine Strafe für Behinderung erhielt, hatten die Gäste die Chance, im Powerplay nochmal heranzukommen. Doch stattdessen brachte Johannes Salmonsson eine geblockte Scheibe zu Ryan Jones, der allein auf und davon zog und per Shorthander zum 5:1-Endstand einnetzte.

„Das Spiel heute war sozusagen das Gegenteil von Spiel 1“, meinte Salmonsson. „Ich glaube, dass die Münchner mit ihrer Leistung heute nicht zufrieden waren, so wie wir in Spiel 1. Wir waren mit unserem Spiel heute sehr zufrieden. Ich glaube, es wird ab jetzt deutlich enger zugehen.“

„Wir wussten, dass wir von Anfang an druckvoll spielen müssen. Wir wollten nicht riskieren, in der Serie mit 0:2 in Rückstand zu geraten. Erst recht nicht gegen ein Team von diesem Kaliber“, erklärte Ryan Jones. „Wenn wir weiter so spielen, wie wir heute gespielt haben, dann werden wir noch ein paar Spiele gewinnen.“

In Spiel 1 hatten die Münchner damit gerechnet, dass sie auf einen etwas müden KEC treffen würden. Vielleicht hatten sie unterbewusst darauf spekuliert, dass das auch in Spiel 2 der Fall sein würde. Aber auf einen konditionellen Einbruch aufgrund der vielen Spiele in den Playoffs lassen die Haie bislang vergeblich warten. „Ich persönlich komme mit jedem Drittel immer mehr und mehr in Fahrt. Ich hoffe, das geht so weiter“, feixte Salmonsson.

„Die Mannschaft ist durch zwei emotionale Höhepunkte gegangen. Erst das Spiel 6 und dann nochmal in Spiel 7. Die Jungs sind keine Roboter. Es ist nicht einfach, sich wieder dahin hochzuschrauben. Heute haben sie einen guten Job gemacht, emotional im Spiel zu sein“, resümiert Haie-Headcoach Cory Clouston. „Wenn man die Intensität hat, dann geht man aggressiv in den Forecheck und spielt so, wie man spielen muss.“

Die Haie haben sich eindrucksvoll in der Serie angemeldet und diese verdient ausgeglichen. Der selbstbewusste Auftritt von Cory Cloustons Mannschaft überzeugte nicht nur durch das deutliche Ergebnis. Don Jackson und seine Mannschaft haben es ab sofort mit einem anderen Gegner zu tun als im ersten Spiel. Der KEC nimmt bei der erneuten Anreise nach München nun nicht nur wieder ein Stückchen Selbstvertrauen mehr mit sondern auch die Erfahrungen aus der ersten Auswärtspartie des Halbfinals.

„Wir haben in Spiel 1 einiges gelernt“, schloss Clouston mit einem Lächeln. Es arbeitet bereits im Kopf des Kölner Headcoaches in Vorbereitung auf Spiel 3 am Sonntag.

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

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