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Was für einen Unterschied ein Jahr macht

Peter Schönberger und Moritz Müller - Foto: mcfly37.de

Erinnert sich noch jemand daran, was fast auf den Tag genau vor einem Jahr in der Gummersbacher Straße 4 los war? Derbe Niederlagen in Serie, ein inakzeptabler Tabellenplatz, ein angekündigtes Zwangs-Trainingslager für die Mannschaft, ein Spieleraufstand gegen eben dieses Trainingslager, eine Menge lauter Töne, eine Menge Unzufriedenheit auf allen erdenklichen Ebenen. Kurzum: Es brannte der sprichwörtliche Baum und ganz Eishockeydeutschland konnte das Spektakel in der Presse mitverfolgen. Turbulente Zeiten waren das damals. Damals – vor gerade mal zwölf Monaten.

Erst wenn man sich das Szenario aus dem Januar 2016 nochmal vor Augen führt, wird einem die derzeitige Stimmung beim KEC überhaupt richtig bewusst.

„Ich glaube, die Ruhe entsteht aus zwei Gründen“, erklärt KEC-Geschäftsführer Peter Schönberger. „Das eine ist, dass wir aus meiner Sicht einfach überall gut besetzt sind. Es gab Zeiten, da hatten wir keinen Sportdirektor. Wir haben jetzt in der Geschäftsstelle einen Vertriebsleiter, einen Marketingleiter, einen Sportdirektor, dann neben Trainer und Co-Trainer auch noch einen Technik-Coach mit Thomas Brandl, der die Aufgabe übernommen hat. Wir sind perfekt aufgestellt im Fitnessbereich, im Physiobereich, im Ärztebereich. Wenn man jetzt hier so sitzt als Geschäftsführer und schaut sich sein Organigramm an, dann sagt man sich: Mehr geht nicht. Das ist jetzt eigentlich die optimale Besetzung. Das schafft schon mal eine Grundsicherheit. Das Zweite, was die Ruhe bedingt, ist, dass wir das Gefühl haben, dass man in jede Position das Vertrauen hat, dass derjenige weiß, was er tut. Wir haben einen sehr erfahrenen Coach, bei dem wir darauf vertrauen, dass er auch mal eine Situation, in der es schlechter läuft, meistern kann. Wir sehen auch, was Erfahrung insgesamt ausmacht. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.“

„Die Ruhe ist aber auch nicht zu verwechseln damit, dass wir uns jetzt zurücklehnen und sowieso alles toll finden“, so Peter Schönberger weiter. „Es ist natürlich so, wenn es zum Beispiel so Spiele gibt wie gegen Bremerhaven oder sonst eine unnötige Niederlage wie zum Beispiel gegen Düsseldorf, dann ist es natürlich schon so, dass wir uns da alle nochmal Gedanken machen und sagen, was kann man da besser machen? Aber das passiert nicht in irgendeiner Hektik, sondern einfach in der Analyse und mit Liebe zum Detail. Für das Spiel am kommenden Sonntag gegen Düsseldorf ist auch ganz klar, dass man überlegt, ob man der Mannschaft nochmal einen besonderen Impuls geben muss, um ihr zu zeigen, dass das auch für die Fans ein ganz besonders wichtiges Spiel ist. Mit drei Niederlagen gegen Düsseldorf kann man sich auch ganz viel von der Stimmung wieder kaputt machen. An diesen Dingen arbeiten wir ständig. Es herrscht hier also Ruhe, aber eine angespannte Ruhe.”

Selbst die Phase nach der Länderspielpause, in der die Haie nicht in erwartetem Maß gepunktet haben, hat nicht für Erschütterungen im Club gesorgt. Nichtsdestotrotz wurde Kritik geübt, wenn auch in unaufgeregter Art.

„Je länger man dabei ist – und ich bin jetzt auch schon sechs Jahre dabei – desto eher erkennt man, dass eine Saison nicht nur aus Höhen besteht sondern selbstverständlich auch immer wieder Tiefs hat und diese Tiefs auch manchmal sogar braucht. Wenn sich eine Mannschaft die ganze Saison nur in den Armen liegt, weil sie so toll ist, da ist die Gefahr sehr hoch, dass sie in den Playoffs ein Problem kriegt“, erklärt Peter Schönberger. „Was mich aber stört – und das nicht nur im Sport sondern in jeder Situation im Leben – ist, wenn jemand sein Potenzial nicht abruft. Das war bei Spielen gegen kleinere Gegner manchmal der Fall. Das ist sehr ärgerlich, weil es unser aller Leben schwerer macht. Das Leben auf der Geschäftsstelle, das Leben des Vertriebsleiters, das Leben des Marketingleiters. Das ist unnötig. Deswegen hat mich das sehr geärgert. Nicht weil ich Angst hatte, dass wir nicht in die Playoffs kommen. Da bin ich mir sehr sicher, dass wir das schaffen. Man macht sich aber eben einfach unnötig das Leben selbst schwer. Da haben wir uns intern schon zusammengesetzt und überlegt, wie wir das abstellen können. Wie kann man an die Mannschaft appellieren und ihr zeigen, dass drei Punkte gegen „kleinere“ Teams genauso wichtig sind wie drei Punkte gegen Top-Mannschaften. Das sind die gleichen drei Punkte.”

Dass dabei die Handlungsfreiheit des Headcoaches außer Frage steht, unterstreicht der Haie-Geschäftsführer: „Der Schuster muss bei seinen Leisten bleiben. Weder ich noch ein Gesellschafter noch sonst wer wird Cory Clouston jemals sagen, wie er die Mannschaft spielen zu lassen hat, wen er aufstellt oder welche Strategie er spielen soll. Da sind wir schlicht nicht kompetent und sollten das nicht tun.“

Dennoch hat man ein wachsames Auge auf alles, was die Leistung der Mannschaft angeht. Wurde ihr in den Medien bereits Bocklosigkeit unterstellt und die Spieler zu Unsympathen erklärt, liest man die 0:6-Klatsche im hohen Norden und die darauf folgenden Spiele in der Chefetage aber anders.

„Nach dem sehr schlechten Spiel in Bremerhaven haben wir intern gesagt: Jetzt sind wir mal gespannt auf die Reaktion der Mannschaft, weil diese Reaktion einfach eine Menge über die mentale Situation und die Einstellung des Teams aussagt“, berichtet Peter Schönberger. „Deswegen sind wir noch fünfmal mehr glücklich über die Siege. Wir haben gemerkt, dass die Mannschaft nach dem Spiel in Bremerhaven auch ganz stark in ihrer Ehre und in ihrem Selbstbild getroffen war. Das sind keine Spieler, die einfach nur sagen: Ich habe irgendwo einen Vertrag und spiele Eishockey. Das sind Spieler, die auch was erreichen wollen und ein gewisses Selbstverständnis haben. Das ist ganz wichtig – auch für die Playoffs. Deswegen muss man sagen, dass diese 18 Punkte, die natürlich per se unglaublich bedeutsam sind, nochmal wichtiger gerade als Reaktion sind. Das finden wir natürlich sehr gut.“

Es ist nur zwölf Monate her, dass die Kölner Haie meilenweit weg waren von dem gut sortierten, besonnenen Bild, das sie derzeit abgeben. Siege in Serie, Platz 3 in der Tabelle, eine systemtreue Mannschaft, Zuversicht auf allen erdenklichen Ebenen. Die Personalsituation auf und neben dem Eis ein rundes Paket. Da lässt sich nur erahnen, wie groß der Wunsch beim KEC sein muss, diesen Zustand zu konservieren. Der erste Schritt dazu wären sicherlich Vertragsverlängerungen für Mark Mahon und Cory Clouston. Genug Zuspruch und Anerkennung klingt bei Peter Schönberger für beide auf jeden Fall durch. Aktuell wäre es wohl eher logische Konsequenz als Überraschung.

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

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