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Hanowski: „Die Overtime in Düsseldorf werde ich nie vergessen.“

KEC-Stürmer Ben Hanowski im Haimspiel.de-Interview - Foto: Steffen Thaut

Der 27-jährige US-Amerikaner war einer der Neuzugänge bei den Kölner Haien vor dieser Saison. Im exklusiven Haimspiel.de-Interview spricht er unter anderem über seine Reihe mit Felix Schütz und Justin Shugg, verrät eine Menge über den Menschen Ben Hanowski und erzählt von den wohl verrücktesten zwei Wochen seines Lebens.

“Die letzten paar Wochen haben viel Spaß gemacht.”

Ben, ihr habt jetzt vier Siege am Stück zustande gebracht. Wie sehr hat diese kleine Erfolgsserie die Atmosphäre in der Kabine verändert?

Es macht viel mehr Spaß, zur Halle zu kommen. Wenn man – wie wir hier – eine gute Truppe sind, dann verbringt man zwar ohnehin gerne Zeit miteinander, aber wenn man gewinnt, dann macht es einfach nochmal mehr Spaß. Es ist etwas anderes, ob man nach Niederlagen analysieren muss, warum man verloren hat, oder ob man sich nach Siegen damit beschäftigt, was man noch besser machen kann. Die letzten paar Wochen haben viel mehr Spaß gemacht.

Überträgt sich das dann wiederum auf die Spiele selbst, dass man ein bisschen entspannter ist, dass die Scheibe auch mal wieder für einen springt – solche Sachen?

Ich bin ein Freund der Theorie, dass jeder seines Glückes Schmied ist. Wir spielen auf die richtige Art und Weise, und es passieren gute Dinge für uns. Ich glaube, wir spielen alle wieder mit ein bisschen mehr Selbstvertrauen. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man mal einen kleinen Lauf hat. Den müssen wir am Leben halten und genau so weiterspielen, denn das schlägt auch ganz schnell wieder ins Gegenteil um und schon steckt man in einer Niederlagenserie. Wir haben im Moment viele Spiele. Wir sind definitiv in der richtigen Richtung unterwegs. Die letzten vier Spiele haben auf jeden Fall Spaß gemacht.

Peter Draisaitl ist noch sehr vorsichtig in der Bewertung eurer Fortschritte. Seht ihr als Mannschaft es auch so, dass man nicht schon die komplette Wende geschafft hat, sondern eher noch auf dem Weg dahin ist?

Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, dass wir ein paar Schritte in die richtige Richtung gemacht haben. Aber die Saison ist noch lang. Es liegt noch viel Hockey vor uns. Wir haben natürlich immer noch Dinge, an denen wir arbeiten wollen. Wir haben uns zwar schon darauf eingestellt, wie Peter uns spielen lassen möchte, aber es gibt noch eine Menge Feintuning und Perfektionierung an unserer Spielweise zu tun. Es wird sicher noch ein bisschen Zeit brauchen, das alles hinzubekommen.

Es wirkt bisweilen so, als würdet ihr in bestimmten Situationen manchmal noch zu viel Zeit zum denken brauchen. Automatismen greifen noch nicht. Ein Zeichen dafür, dass ihr euch noch in der Umstellung auf das neue System befindet?

Ja. Wenn man ein System eine ganze Weile lang gespielt hat, dann dauert es einfach, bis das neue sitzt. Das braucht Zeit. Man will während des Spiels nicht mehr denken müssen. Zu Beginn mit Peter hat man schon gemerkt, dass die Jungs auf dem Eis noch überlegt haben: Muss ich jetzt hier sein oder muss ich jetzt da sein? Das ist aber immer besser geworden und wird immer besser werden, wenn die Wochen ins Land ziehen und wir mehr und mehr Spiele in diesem System absolviert haben.

“Schütz und Shugg machen meinen Job ziemlich einfach.”

Deine Sturmformation mit Felix Schütz und Justin Shugg funktioniert großartig. Ihr scheint eine gute Chemie miteinander zu haben. Wie kam die zustande?

Ja, wir haben wirkliche eine gute Chemie. Es macht so viel Spaß, mit den beiden zusammen zu spielen. Sie sind beide unglaublich talentierte Spieler. Sie sind beide tolle Spielmacher und sehr gute Skater. Sie kreieren so viele Torchancen. Das macht meinen Job ziemlich einfach. Es macht richtig viel Spaß mit den beiden. Ich glaube, ein wichtiger Faktor dabei ist genau der Spaß, den wir miteinander haben. Natürlich nehmen wir die Spiele ernst, aber wir haben Spaß zusammen. Wir kommunizieren gut miteinander, tauschen unsere Ideen aus und solche Sachen. Es ist wichtig, dass die Kommunikationskanäle mit den Reihenkollegen offen sind, um über Spielzüge zu sprechen oder wenn einem an irgendeiner Stelle etwas aufgefallen ist. Auf dem Weg lernt man sich immer besser kennen. Das nimmt man dann mit aufs Eis. Man weiß dann irgendwann, wo die anderen in bestimmten Situationen sein werden. Ich hoffe, wir können das aufrechterhalten. Es macht einfach so viel Spaß mit den beiden.

Apropos Kommunikation: Nach dem Overtime-Tor gegen Düsseldorf bist du dir mit Justin Shugg hinter dem Tor in die Arme gefallen. Da gab es ein kleines „Gespräch“ zwischen euch. Erinnerst du dich noch, was du in dem Moment gesagt hast?

Das weiß ich nicht mehr. Ich war so müde nach dem Wechsel. (lacht) Anderthalb Minuten in Düsseldorfs Drittel. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich überhaupt was zu ihm gesagt habe. Da muss ich mir die Highlights nochmal anschauen. Vielleicht krieg ich es dann wieder zusammen. Aber der Wechsel war schon cool für mich als Spieler. Das war die Sorte Wechsel, an die man sich immer erinnern wird. Overtime, Derby, das erste Spiel gegen Düsseldorf in Düsseldorf für uns, für Justin und mich als Teil der Kölner Haie. Und dann, wie gesagt, dieser über eine Minute lange Wechsel, und am Ende das Tor mit drei Sekunden auf der Uhr. Das war schon ziemlich cool, fand ich. (grinst) Das sind so Wechsel, an die erinnert man sich bis ans Ende seines Lebens.

Du hast die Liga von Augsburg aus kennengelernt und warst logischerweise als Panther einige Male hier. Du wusstest also, was dich in Köln erwartet? Oder gab es irgendwelche Überraschungen?

Der Verkehr. (lacht) In Augsburg bin ich zu Fuß zur Halle gegangen oder mit dem Fahrrad gefahren. Das habe ich zwei Jahre lang so gemacht. Jetzt muss ich mit dem Auto zur Halle fahren, und der Verkehr ist einfach … – echt hart. (lacht) Es ist so eine schöne Stadt. Man kann hier so viel unternehmen. Mir gefällt es sehr. Man hat so viele verschiedene Möglichkeiten, essen zu gehen. Und es gibt so viel zu sehen. Da fährt man zum Dom oder zum Neumarkt oder in die Altstadt. Am Rheinufer entlang ist es wirklich schön. Meine Frau und ich genießen unsere Zeit hier sehr.

“Es ist jetzt alles ganz anders.”

Ihr habt im Dezember nur wenige Auswärtsspiele. Das heißt, du kannst mehr Zeit mit deiner Familie verbringen, die ja gerade erst ein bisschen größer geworden ist. Glückwunsch an dieser Stelle noch zur Geburt deiner Tochter Lilian. Wie ist das Leben mit dem neuen Familienmitglied?

Dankeschön! Ja, das war schon eine Umstellung. Meine Frau macht da einen wahnsinnig guten Job. Das macht es für mich ziemlich einfach. Aber es ist schon wirklich besonders. Wenn ich jetzt nach Hause komme, beschäftige ich mich nicht mehr viel mit Eishockey. Ich beschäftige mich damit, wann sie das letzte Mal gegessen hat, oder wechsele ihre Windeln. Es ist jetzt alles ganz anders, aber es ist einfach toll, Vater zu sein.

Ihr habt einen engen Spielplan. Erholung und guter Schlaf sind wichtig. Funktioniert das mit einem Neugeborenen im Haus?

Es hat natürlich ein bisschen Einfluss auf meinen Schlaf, aber – wie gesagt – meine Frau macht einen wahnsinnig guten Job. Sie unterstützt mich hundertprozentig in meinem Eishockeyleben. Also steht eigentlich immer sie nachts auf. Ich bin der Glückliche, der weiterschlafen darf. Das klingt jetzt, als wäre ich ein echt schlechter Ehemann. Aber sie ist wirklich großartig und macht das alles toll.

“Eishockey ist in Minnesota eine Lebensweise.”

Wir müssen über Minnesota sprechen, deinen Heimat-Bundesstaat in den USA. Es ist der „State of Hockey“, der auch gerne mal „Kanadas elfte Provinz“ genannt wird. Woher kommt diese Begeisterung für Eishockey bei euch?

Das hätte Kanada gerne, dass wir zu ihnen gehören. Aber wir sind und bleiben Teil der USA. (lacht) Das ist ja schon eher als Kompliment gemeint. Kanada liebt Eishockey. Das ist die Sportart Nummer 1 dort. Deswegen ist es schon ziemlich cool und ein großes Kompliment, wenn man in Sachen Eishockey als Kanadas elfte Provinz bezeichnet wird. Ich weiß nicht, ob die Begeisterung für Eishockey bei uns an den vielen Flüssen und Seen liegt, die zufrieren, und die Leute im Winter einfach nichts anderes zu tun haben, als Schlittschuhlaufen zu gehen. Jedenfalls ist Eishockey in den meisten Orten Minnesotas eine Lebensweise. Die meisten Kinder spielen Eishockey – in der Highschool oder anderswo. Es ist im gesamten Bundesstaat einfach eine große Leidenschaft. Es ist schon cool, aus einem solchen Bundesstaat zu kommen.
In meiner Familie haben nicht alle professionell Eishockey gespielt, aber jeder war irgendwie ins Eishockey involviert. Mein Großvater hat die Outdoor-Eisfläche in dem Ort betrieben, aus dem mein Vater stammt. Da gab es keine Indoor-Eisfläche. Er hat direkt gegenüber von dem Park gewohnt, in dem die Eisfläche war. Da hat auch mein Vater immer gespielt und da auch meine Brüder und mich zum Eishockey gebracht. Natürlich hat er uns auch eine riesige Eisfläche zuhause im Garten angelegt. Wir waren also immer irgendwo auf dem Eis. Er hat uns gecoacht, bis ich 10 Jahre alt war. Er hat also die Grundlagen für meine Karriere gelegt. Ich habe ihm und meiner Mutter eine Menge zu verdanken.

Deine Heimatstadt Little Falls ist eine kleine Stadt. Du hast eine enge Verbindung in den Ort und zu den Menschen dort und hast die auch immer aufrechterhalten. Wie schwer ist das inzwischen von dieser Seite des Atlantiks aus?

Es ist definitiv schwieriger, wenn man so weit weg ist. Das schwierigste ist natürlich der Zeitunterschied. Ich verfolge aber trotzdem unser Highschool-Team. Für sie hat die Saison gerade angefangen. Bis jetzt haben sie zwei Spiele gewonnen und eins verloren. Es ist schwer, mit allen Menschen in Kontakt zu bleiben, mit denen man das gerne würde. Zum einen ist es der Zeitunterschied, zum anderen haben wir gerade einen eng gesteckten Terminplan hier. Aber ich will schon immer wissen, was zuhause so los ist, wie sich mein College-Team so schlägt und alles. Das ist mir wichtig. Letzten Sommer bin ich ein paar Mal mit den Kindern aus Little Falls auf dem Eis gewesen, als sie in St. Cloud zu Besuch waren, wo ich im Sommer lebe. Es macht immer Spaß, wenn man etwas zurückgeben kann. Es ist toll, diese Kinder zu sehen. In der Highschool hat Eishockey mir so viel Spaß gemacht. Das war definitiv ein besonderer Teil meiner Karriere, für Little Falls zu spielen. Auch die Zeit im College in St. Cloud war großartig. Ich verstehe die Jungs nicht, die das College früher verlassen, um in der AHL zu spielen. Im College spielst du mit Jungs in deinem Alter. Ich hatte da eine tolle Zeit. Wir waren eine großartige Truppe. Mit vielen aus dem Team von damals bin ich in Kontakt geblieben. Auch meine Frau habe ich im College kennengelernt. Und im Sommer gehe ich da trainieren. Wenn ich meine Karriere irgendwann beende, dann möchte ich dahin zurückkehren. Das Eishockey-Programm am College hat mich auch abseits des Eises zu dem Menschen geformt, der ich heute bin. Meine damaligen Coaches sind immer noch da. Das sind einfach wirklich gute Männer, zu denen ich aufschaue und das Glück hatte, unter ihnen spielen zu dürfen.

“Das waren verrückte zwei Wochen.”

Du hast mit den St Cloud State Huskies damals Geschichte geschrieben, denn ihr habt es zum ersten Mal in der Geschichte des Colleges in die „Frozen Four“ geschafft. Kurz davor haben dich die Pittsburgh Penguins, die dich gedraftet hatten, zusammen mit Kenny Agostino und einem First Round Draftpick gegen Calgarys langjährigen Kapitän und Franchise-Ikone Jarome Iginla getradet. Klingt nach einer Menge Aufregung in sehr kurzer Zeit.

Oh ja. Die Trade-Deadline war an einem Mittwochabend, glaube ich. Wir waren mit den Huskies auf dem Weg nach Toledo / Ohio, um da am Freitag und Sonntag die Regional-Ausscheidungsspiele der NCAA zu bestreiten. An dem Abend habe ich mir ein NHL-Spiel im Fernsehen angeschaut. Da wurde die ganze Zeit darüber geredet, dass Iginla nach Boston gehen würde. Irgendwann bin ich schlafen gegangen. Als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, hatte ich dreißig Textnachrichten und zwanzig verpasste Anrufe. Mein allererster Gedanke war: Oh oh, da muss irgendwas Schlimmes passiert sein. Dann habe ich die Nachrichten durchgeblättert. Die erste, die ich wirklich gelesen habe, war von meinem Coach vom College. Er hatte geschrieben: „Calgary wird begeistert sein, dass sie dich bekommen haben!“ Und ich dachte nur: „Hä?“ Dann habe ich die anderen Nachrichten gelesen und irgendwann begriffen, was passiert war. Nach dem Training an dem Tag sind wir dann nach Toledo abgereist. Die Regional-Ausscheidungsspiele haben wir dann gewonnen, und es ging weiter zu den „Frozen Four“ nach Pittsburgh. Da haben wir leider im Halbfinale verloren. Das war am Donnerstag. Samstagabend bin ich dann nach Calgary geflogen. Und nach nur einem Morning-Skate, also ohne auch nur ein einziges richtiges Training, habe ich am Montag mein erstes NHL-Spiel für die Flames gemacht. Das waren verrückte zwei Wochen. (lacht) Das werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, war das alles ziemlich cool, aber damals war ich definitiv überwältigt von allem, was da gleichzeitig passiert ist.

Die Geschichte hört ja aber an der Stelle nicht auf, verrückt zu sein. Dein erstes NHL-Spiel war auch noch ausgerechnet gegen die Minnesota Wild – das Team, das du seit deiner Kindheit angefeuert hast. Und du warst in den Starting-Six, sprich du hast beim Eröffnungsbully Leuten wie Zach Parise und Mikko Koivu gegenübergestanden.

Ja, das war unglaublich. Ich war immer ein großer Fan von Zach Parise. Er ist auch aus Minnesota. Ich mochte immer schon die Art und Weise, wie er spielt. Als er zu den Minnesota Wild kam, wurde ich ein noch größerer Fan von ihm. Es war einfach unglaublich, ihm beim Eröffnungsbully gegenüberzustehen. Aber das allercoolste in dem Moment war, dass er wusste, dass es mein erstes NHL-Spiel war, und mir viel Glück gewünscht hat. Dass er das gemacht hat – ich meine, obwohl ich ja dann gegen ihn spielen musste, war ich dann ein noch größerer Fan von ihm. Dass er sich den Moment genommen hat, um mir zu sagen „Gratulation zum ersten NHL-Spiel! Viel Glück!“, das war ziemlich cool. Ja, und dann habe ich mein erstes NHL-Spiel gegen Minnesota gemacht, deren Spiele ich die komplette Saison bis dahin als Fan verfolgt hatte.

Und als Kirsche auf der Sahnehaube hast du in dem Spiel auch gleich dein erstes NHL-Tor geschossen.

Das war definitiv ein besonderer Moment. Ich hätte mir gewünscht, dass das Tor ein bisschen schöner gewesen wäre. (lächelt) Es war nur ein Tor nach einem Rebound. Ich war mir nicht mal sicher, ob der Puck die Linie überquert hatte. Aber es war ein sehr besonderer Moment. Nicht nur für mich, sondern auch für meine Eltern und alle meine Lieben, die viel Zeit in mich investiert und viel für mich geopfert haben, damit ich da sein konnte, wo ich war. Es war ein großartiges Erlebnis. Ich konnte es nach dem Spiel gar nicht abwarten, meine Eltern anzurufen und das mit ihnen zu teilen.

“Werde immer dankbar sein für die Hilfe, die ich bekommen habe”

Wie war es, zu einer Mannschaft in die Kabine zu kommen, die gerade ihren Kapitän verloren und dafür ein paar Grünschnäbel ins Line-Up bekommen hat?

Die Saison ist ja damals nicht ganz so gelaufen, wie sie sich das gewünscht hätten. Sie waren nicht in den Playoffs und haben ihren Franchise-Spieler weggetradet. Aber sie haben mich wirklich gut aufgenommen. Es war sicher nicht der beste Moment für sie, um ein paar Jungspunde dazuzubekommen, um mit ihnen die Saison zu ende zu spielen. Aber sie haben mich wirklich gut behandelt, mich sozusagen an die Hand genommen und mir in meinen ersten paar Wochen sehr geholfen. Ich wusste ja überhaupt nicht, wie mir geschah. College-Hockey und professionelles Hockey sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge. Auf und neben dem Eis. Vielleicht haben wir jungen Spieler ihnen aber auch ein bisschen Energie und Ansporn gegeben, uns unter die Fittiche zu nehmen. Ich werde all den Spielern immer dankbar sein für die Hilfe, die ich in den ersten paar Wochen bekommen habe.

Mit der eigenen Erfahrung im Hinterkopf, wie gehst du damit um, wenn Jungs wie Lucas Dumont und Eric Valentin in die Mannschaft kommen?

Ich habe einfach versucht, alles zu tun, was ich kann, damit sie sich wohlfühlen. Ich habe sie zum Beispiel direkt nach ihren Spitznamen gefragt. Wenn du in der Mannschaft mit deinem Spitznamen angesprochen wirst, dann fühlst du dich gleich aufgenommener und bekommst signalisiert, dass du dich entspannen und Spaß haben sollst. Und ich sage dann auch immer: „Mach dir keine Gedanken darüber, ob du Fehler machen wirst. Hockey ist ein Spiel, in dem Fehler passieren. Spiel einfach hart und genieß es.“ Sein erstes DEL-Spiel zu machen, ist ein sehr besonderer Moment. Ich glaube, unsere ganze Mannschaft hat es gut gemacht, den beiden einen guten Einstieg zu geben. Sie haben beide einen guten Job gemacht bislang. Ich glaube, wir haben es in der Kabine geschafft, dass sie sich wohlfühlen. Ich versuche einfach nur, mit ihnen zu sprechen, so wie es die Jungs in Calgary gemacht haben, als ich dazu kam. Ich glaube, das ist einfach sowas wie ein ungeschriebenes Gesetz. Das macht man einfach.

Calgary hatte mit dem Trade von Iginla offiziell den Rebuild eingeläutet. Wie war es, den Fans quasi mit der Vorgabe präsentiert zu werden: „Seht her! Das ist einer von den Jungs, die wir für euren geliebten Kapitän bekommen haben. Der soll Bestandteil unserer Zukunft werden.“?

Die Flames-Organisation hat damals einen guten Job gemacht. Sie haben mir gesagt, dass ich mir keine Sorgen über zu hohe Erwartungen machen, einfach mein Spiel spielen und ich selbst sein soll. Aber die Fans waren schon sehr kritisch mir gegenüber. Ich glaube, ich war in Calgary nicht besonders beliebt, weil sich nicht alles so entwickelt hat, wie sie es gehofft haben und auch ich es gehofft hatte. Die Flames-Organisation war immer gut zu mir, auch nachdem Jay Feaster gefeuert wurde, der mich nach Calgary geholt hatte. Aber von den Fans habe ich bei Twitter schon einiges zu hören bekommen. Aber es war auch irgendwie lustig. Ich meine, ich bin nun mal ein Fan der Minnesota Wild und außerdem ein großer Vikings-Fan. Wenn sowas wie mit mir bei den Flames in einem meiner Lieblingsteams passiert wäre, dann würde ich den betreffenden Spieler auch nicht mögen. Ich konnte das also nachvollziehen. (lacht) Ich meine, jetzt ist es eine lustige Anekdote, aber damals dachte ich: Oh Mann, die mögen mich hier wirklich nicht besonders.

“Ich musste ein besserer Skater werden.”

Du hast dich im Sommer 2013 sehr reingekniet, um den Übergang vom College-Hockey zum NHL-Hockey hinzubekommen. Du hast mit einem Skating-Trainer gearbeitet und fünf Kilo abgenommen, um schneller zu werden.

Ich hatte in meinen ersten beiden Wochen in der NHL erlebt, wie schnell die Jungs da sind und wie gut sie auf sich achten. Im College war ich kein besonders guter Koch und habe mir auch nicht viel Mühe gegeben, es zu lernen. Also habe ich mehr oder weniger alles gegessen und mich nicht wirklich gut ernährt. Dann habe ich gesehen, wie die NHL-Jungs sich ernähren, und wusste, dass ich das auch so machen muss, wenn ich es in der NHL schaffen will. Ich musste ein besserer Skater werden. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht besonders gut. Deshalb habe ich damals angefangen, mit Diane Ness zu arbeiten. Sie ist wirklich gut. Eine ehemalige olympische Eiskunstläuferin. Sie gibt in Minnesota eine Menge Skating-Technikunterricht. Mit ihr habe ich drei oder vier Sommer lang gearbeitet.

Während deiner ersten Off-Season 2013 in Calgary gab es diese große Überschwemmung in der Stadt. Die Innenstadt inklusive des Geländes der Calgary Stampede und des Saddledomes standen meterhoch unter Wasser. Du musstest im Zuge der Evakuierung dein Apartment räumen, das du dir damals mit Ex-Hai Max Reinhart geteilt hast.

Wow, ja. Eigentlich hätte das toll werden sollen. Die Flames hatten die jungen Spieler damals zu einem sechstägigen Training eingeladen. Wir waren in einem Apartment in der Innenstadt untergebracht. Das war toll. Als die Überschwemmung kam, war das wirklich beängstigend. Max und ich haben es gerade noch raus geschafft. Das Wasser stand so schnell so hoch, dass die Räder unseres Autos komplett unter Wasser waren, als wir rausgefahren sind. Auf dem Weg aus der Stadt raus mussten wir durch ein paar Straßen, die so hoch unter Wasser standen, dass wir nicht sicher waren, ob wir es da durch schaffen. Wir sind dann aber noch aus der Stadt rausgekommen. Das war wirklich beängstigend in dem Moment. In den folgenden zwei, drei Wochen war die Innenstadt von Calgary wie eine Geisterstadt. Hast du „The Walking Dead“ gesehen? So war das. Man fährt in diese große Stadt, und da ist einfach nichts und niemand. Ich bin einmal mit dem Fahrrad in die Stadt gefahren um zu sehen, was los ist. Da wir wirklich niemand. Das war gruselig. Aber im Nachgang war es dann großartig zu sehen, wie die Stadt wieder zum Leben erwacht ist, alle zusammenkamen und geholfen haben. Die Menschen in Alberta sind sehr stolz darauf, wer sie sind und für was sie stehen. Sie haben es hinbekommen, dass sogar die Calgary Stampede stattfinden konnte. Das war ziemlich beeindruckend zu sehen.

“Regeln wir das mit einer Runde Minigolf.”

Während du bei den Abbotsford Heat warst, hast du dir ein Haus mit dem jetzigen Carolina Hurricanes Stürmer Josh Jooris und Corban Knight geteilt. Du hast das Anrecht auf das größte Schlafzimmer im Haus bei einer Runde Minigolf gegen deine beiden Mitbewohner gewonnen, richtig?

Ja, das stimmt.

Minigolf – ernsthaft jetzt?

Naja, wir haben damals nach einem Weg gesucht, wie wir fair entscheiden können, wer welches Schlafzimmer bekommt. Es gab eine Minigolfanlage vielleicht fünf Minuten von unserem Haus entfernt. Da haben wir uns gesagt, ok, regeln wir das mit einer Runde Minigolf. Es hat sich auch erst am letzten Loch entschieden. Ich weiß es noch genau. Bis dahin waren wir alle drei fast gleichauf. Am Ende habe ich gewonnen und hatte damit das größte Schlafzimmer für das Jahr. Das war schon nett. Josh hat hinterher behauptet, ich hätte nicht fair gewonnen, aber da war er einfach nur ein schlechter Verlierer und hat nach Ausreden gesucht. (grinst) Das war eine lustige Zeit mit uns dreien in dem Haus.

Ihr habt es euch offensichtlich ja auch nett gemacht. Da gab es zum Beispiel ein Weihnachtsfoto, auf dem ihr vor dem weihnachtlich dekorierten Kamin sitzt. Dafür gab es Spott und Häme von euren Mannschaftskollegen. Was hat euch da geritten?

Ich weiß nicht. Damals haben wir mit Blair Jones zusammen in Abbotsford gespielt. Wahrscheinlich war er derjenige, der sich deswegen über uns lustig gemacht hat. (lacht) Wir saßen halt damals zuhause rum, von unseren Familien kamen die ganzen Weihnachtskarten an, und da dachten wir, das machen wir jetzt einfach auch. Also haben wir ein Foto von uns vor der Weihnachtsdeko gemacht, auch um ein bisschen in Weihnachtsstimmung zu kommen. Als es dann veröffentlicht war, haben wir in der Kabine wirklich eine Menge dafür einstecken müssen. Aber es war lustig. Ich würde das definitiv jederzeit wieder machen. Dann haben alle in der Kabine was, worüber sie reden können. (grinst) Ein paar dumme Sprüche gehen immer.

Das bringt mich zur Frage nach deiner Persönlichkeit, zu der es widersprüchliche Aussagen gibt. Die einen finden, du warst immer schon erwachsener, als es dein Alter vermuten lässt. Die anderen sagen, du bist einer der albernsten Spaßvögel in der Kabine. Was davon trifft zu?

Ich glaube, ein bisschen von beidem. Ich versuche schon, Spaß zu haben. Ich meine, wir spielen hier ja letztendlich ein Spiel, um unseren Lebensunterhalt damit zu verdienen. Ich habe schon Spaß daran, den Jungs in der Kabine Sprüche zu drücken und ihre Schlagfertigkeit zu testen. (grinst) Auf der anderen Seite weiß ich aber auch, wann es Zeit ist, sich zu konzentrieren und Ernsthaftigkeit einziehen zu lassen. Es gibt die richtige Zeit für beides. Wir verbringen so viel Zeit miteinander – sei es auf Auswärtsfahrt im Bus oder auch hier. Es ist wichtig, dass man auch Späße miteinander machen kann. Wir haben lauter großartige Charaktere in dieser Kabine. Selbstverständlich kriegen die von mir Sprüche gedrückt. Ich mache das sehr gerne.

Du hast ja vorhin schon angemerkt, dass du ein Vikings-Fan bist. Wie funktioniert das für dich mit den unterschiedlichen Zeitzonen? Checkst du morgens nur die Ergebnisse? Guckst du die Spiele dann noch komplett on demand?

Im Moment ist es ganz nett, wenn wir sonntags unser Spiel zuhause um 16:30 Uhr haben. Die Vikings-Spiele fangen um 19:00 Uhr deutscher Zeit an. Wenn ich es nach unserem Spiel also so gegen 20:00 Uhr nach Hause schaffe, kann ich immerhin noch das halbe Spiel sehen. Das habe ich zumindest für das Vikings-Atlanta-Spiel geschafft. Aber wenn sie nachts spielen, bleibe ich natürlich nicht bis zwei Uhr auf, um das Spiel zu schauen. Aber auf Youtube gibt es sehr gute, zwölfminütige Spielzusammenfassungen. Die sind wirklich detailliert. Die sehe ich mir an und lese natürlich auf allen erdenklichen NFL-Websites nach, wie die Vikings gespielt haben. Sie spielen eine gute Saison. Das ist toll. Ich bin nur gerade hin- und hergerissen. Ich will natürlich eigentlich, dass sie einen Superbowl gewinnen. Aber ich weiß nicht, ob ich will, dass sie den gewinnen, während ich hier in Deutschland bin. Es wäre schrecklich, das nicht sehen zu können. Wenn sie weiterhin gewinnen, weiß ich echt nicht, was ich machen soll.

Dann musst du hier wohl ein paar Tage Pause machen.

Ja, vielleicht muss ich dann hier ein paar Spiele mit den Haien ausfallen lassen, um den Superbowl zu schauen. Ich bin mir sicher, dass das Team das total gut finden würde. (lacht)

Wir müssen zum Abschluss noch über dein Styling in Sachen Haare und Bart sprechen. Lang, kurz, ganz ab – Gibt es irgendein Konzept dahinter? War oder ist Brent Burns ein Vorbild?

(lacht) Ich hatte im College wirklich lange Haare, aber das ist ganz schön pflegebedürftig und arbeitsintensiv. Es ist mir ein Rätsel, wie Frauen das mit langen Haaren machen. Ich glaube nicht, dass ich die nochmal so lang wachsen lasse. Aber der Bart? Ich bin einfach ein Bart-Typ. Als ich ihn zuletzt komplett abrasiert habe, hat er mich an dem Tag einfach genervt. Ich bin einfach ins Bad gegangen und habe ihn abrasiert. Ich hatte nicht mal meiner Frau was gesagt. Sie kam vom Einkaufen nach Hause, hat mich angeguckt und gefragt: „Wer bist du denn? Haben wir einen neuen Hausmeister?“ Als er ab war, habe ich sofort gedacht: Ich lasse ihn wieder wachsen. Ich bin schon ein Bart-Typ, aber manchmal bin ich auch einfach nur zu faul, glaube ich. Wenn das gewünscht ist, kann ich mich ja auch einfach den Rest der Saison nicht mehr rasieren. Da muss ich aber vorher mit meiner Frau drüber sprechen. Sie mag meinen Bart, aber vielleicht nicht mehr, wenn er komplett außer Kontrolle ist. Mal sehen. Aber im Moment läuft es für uns als Mannschaft ja ganz gut, also lasse ich ihn jetzt erstmal dran. Kann aber auch passieren, dass ich morgen hier wieder komplett ohne Bart ankomme. Wer weiß?

Wir bedanken uns bei Ben Hanowski für das Interview!

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

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Jones: „Wir finden Wege zu gewinnen“

7 Kommentare

  1. Marcel
    06.12.2017

    Riesengroßes Kompliment an Henrike für dieses weltklasse Interview!!!!!
    Habe selten ein informativeres, amüsanteres und sympathischeres Interview gelesen, dass auch wunderschöne Einblicke in den Menschen Hanowski zulässt.
    Da können Rundschau, Stadt-Anzeiger und Co. aber noch so einiges von lernen!
    Ganz großes Kino!!!

    Gruß und besten Dank
    Marcel

  2. Rogio
    06.12.2017

    Super interessantes Interview, wahnsinnig gut vorbereitet…macht weiter so!!! Vielen Dank <3

  3. Thomas
    06.12.2017

    Also dann hier auch nochmal. Ich muss das sehr hoch anrechnen. Solche Interviews liegen weit über jedem Presse Level, was Interviews im Eishockey, in Deutschland betrifft. Das muss man hier auch eben mal als solches würdigen. Arbeit steckt da bestimmt massiv drin, in jedem Interview.

    Über den Charakter Hanowski kann man sich ein sehr gut Bild machen. Der hat offensichtlich auch in dem Interview massig Spaß gehabt. Ein Spieler den ich gerne langfristig beim KEC sehen würde. Macht seine Arbeit immer gut. Auch in den schlechten Zeiten.

    Gruß
    Thomas

  4. Sam
    06.12.2017

    Danke für ein spitzen Interview dass mal nicht nur die Standartfragen abklopft!! Hat mir den Tag in der Bibliothek versüßt! ?

  5. Ingrid
    06.12.2017

    Ich kann mich den ganzen Kommentaren hier nur anschließen!
    Ein vielschichtiges, ganz besonderes Interview mit einem sympathischen Menschen.
    Ich freue mich immer wieder auf Eure Berichte!

  6. Alexander
    06.12.2017

    Wenn das noch besser geht gerne die Playoffs gehen ja glaub ich bis April.

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