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Gerüchtecheck: Trainerkandidaten

Larry Huras als Trainer des ERC Ingolstadt - Foto: Andreas Dick

Mit dem Ultimatum für Niklas Sundblad am kommenden Wochenende nahm auch die Diskussion um potentielle Nachfolger konkretere Formen an, sprich: es begannen Namen in den Medien zu kursieren. Wir werfen einen Blick auf die Kandidaten Larry Huras, Peter Draisaitl und Pavel Gross.

Als Larry Huras Anfang Dezember letzten Jahres dem EHC Biel einen Besuch abstattete, war die ganze Stadt sofort in Aufruhr. Das passiert eben, wenn ein Trainer, der unter anderem drei verschiedene Clubs zur Schweizer Erstliga-Meisterschaft geführt hat und gerade ohne Anstellung ist, unerwartet in einer Arena in der NLA auftaucht. Seit der 60-jährige Kanadier Anfang November nach missglücktem „Canada-meets-Sweden“-Experiment bei MODO seinen Platz hinter der Bande räumen musste, hat halb Eishockey-Europa ein Auge darauf, wo es den erfolgreichen Coach hinziehen könnte.

„Ich besuche hier nur meinen alten Freund Mike McNamara“, sagte Huras auf Nachfrage der Bieler Presse und fügte noch hinzu: „Ich bin gerade nicht auf der aktiven Suche nach einem neuen Trainer-Job.“ Er sei aktuell anderweitig beschäftigt, aber: „Wenn sie mich danach anrufen, werde ich sicher zuhören, was sie zu sagen haben, weil ich schon gerne eines Tages in die NLA zurückkehren würde.“

Die Schweiz – das Land, in dem Huras seine größten Erfolge als Trainer feierte – ist also eine Destination, die er nicht aus den Augen verloren hat. Ob er nach seinem Engagement beim ERC Ingolstadt die DEL auch nochmal als Trainerstation ins Auge fassen würde, hängt sicher von den Rahmenbedingungen am jeweiligen Standort ab. Den ERC hatte er nach dessen Meisterschaftssaison übernommen. Die Chancen standen auch für die Folgesaison gut, dass man diesen Erfolg wiederholen kann. Es gab ein intaktes Team mit – in Huras‘ Philosophie – existentiellen Kern-Elementen, das zudem in der Lage war, seinen aggressiven, offensiven Spielstil umzusetzen.

Im Zuge der Trainerdiskussion rund um die Kölner Haie taucht wenig überraschend – wie überall, wo derzeit Trainerdiskussionen geführt werden – nun auch der Name Larry Huras bei den vermeintlichen KEC-Kandidaten auf, sollten sich die Haie vom aktuellen Headcoach Niklas Sundblad trennen. Huras ist ein erfahrener, erfolgreicher Coach, also wäre es sogar sträflich, ihn nicht in Erwägung zu ziehen – erst recht, weil er eben aktuell frei und auf dem Markt ist. Genauso sieht man das aber auch rheinaufwärts rund um die Adler Mannheim, wo zwar der Club ebenfalls keine öffentliche Trainerdiskussion führt, sich aber der Unmut über die Leistungen der Mannschaft unter ihrem derzeitigen Coach Greg Ireland bei Fans und Medien in sehr vergleichbaren Dimensionen zu Köln äußert. Ireland war – im Gegensatz zu Niklas Sundblad – bei seiner Verpflichtung bereits ein Notnagel. Nach dem kurzfristigen Absprung von Meistertrainer Geoff Ward musste die Mannheimer Clubführung zu einem Zeitpunkt jemanden aus dem Hut zaubern, an dem es niemanden mit einer Adler-Mannheim-würdigen Reputation und Vita gab. Gut vorstellbar also, dass man bei den Adlern nicht erst seit der historischen Niederlagenserie im Dezember die Augen nach einem angemessenen Trainer offen hält. Dass der Name Larry Huras auch in Mannheim kursiert, ist also nur logisch.

Zusätzlich zu den krisengeschüttelten Clubs gibt es dann aber auch noch Teams wie die Thomas Sabo Ice Tigers. In Nürnberg werden weder Kosten noch Mühen gescheut, damit das Team endlich den letzten Schritt in Richtung Erfolg macht. Bei den Ice Tigers steht der Straubinger Ex-, dann Nürnberger Co- und seit dieser Saison nunmehr Chef-Trainer Rob Wilson hinter der Bande, der zweifelsohne mit einem gut aufgestellten Kader einen mehr als soliden Job macht. Ob „mehr als solide“ den Ansprüchen der Nürnberger Clubführung aber tatsächlich gerecht wird, ist angesichts der Nachverpflichtungen von Spielern wie Dany Heatley oder Tyler Beskorowany fraglich. Es wird auch einem eishockeyverrückten Mäzen wie Thomas Sabo nicht entgangen sein, dass Larry Huras auf dem Markt ist. Rob Wilsons Vertrag läuft Ende der Saison aus.

Wenn man nur allein diese drei Clubs nebeneinander stellt, sich in Larry Huras versetzt und überlegt, welches Team man übernehmen wollen würde, dann sind die Kölner Haie nur dann ein attraktiver Club, wenn Huras den Ehrgeiz hätte, ein Team aus einem mittlerweile mehrjährigen Tief zu holen. „Gewinnen ist eine Gewohnheit – verlieren leider auch“, ist ein Zitat, das er gerne bringt. Er predigt gerne seine Überzeugung, was aus einem schlechten Team ein gutes Team, dann aus einem guten Team ein großartiges Team und dann aus einem großartigen Team eine Meistermannschaft macht. Er kann und darf das predigen, weil er weiß, wie es geht. Larry Huras ist 60 Jahre alt. Ob er sich zum jetzigen Zeitpunkt in seiner Karriere nochmal ein Entwicklungsprojekt aufhalst, das beim Status „schlechtes Team“ startet? Nichts anderes sind die Kölner Haie in ihrer aktuellen Verfassung – eine große Baustelle. Die Adler Mannheim hingegen würden beim Buhlen um Huras als amtierender Meister ins Rennen gehen. Sollte man in Nürnberg über Huras nachdenken, dann würde er dort ein Team vorfinden, das zwar in der Mittelmäßigkeit feststeckt, bei dem er aber nicht bei Null anfangen müsste.

Es wäre sträflich, wenn die Kölner Haie kein Interesse an einem Larry Huras hätten – ob nun aktuell oder für die Zukunft. Aber es wäre auch absolut nachvollziehbar, wenn ein Larry Huras kein Interesse an den Kölner Haien hätte.

Der zweite Name, der in den Medien als Kandidat kursiert, ist Peter Draisaitl. Und tatsächlich läge oberflächlich betrachtet nichts näher, als den ehemaligen Haie-Stürmer zu verpflichten. Die Argumente für ihn fangen bei seiner Verbindung zum KEC an, gehen über seinen Status als Club-Legende und reichen bis zu der Tatsache, dass er bereits zweimal in der DEL als „Feuerwehrmann“ eingesprungen ist (in Duisburg und Nürnberg), also Erfahrung hat mit solchen Situationen. Aber sind das die Attribute, die ein Trainer bräuchte, wenn er die abgestürzten Haie übernimmt?

Peter Draisaitl - Foto: Jürgen Peters

Peter Draisaitl – Foto: Jürgen Peters

Das hängt natürlich davon ab, ob eine potentielle Ablösung für Niklas Sundblad nur die aktuelle Saison zuende bringen soll oder ob man direkt langfristiger planen möchte. Und es hängt davon ab, was man als Ursprung der Probleme in der aktuellen Saison ausgemacht hat – wenn man den denn überhaupt schon ausgemacht hat. Es wird wenig nützen, nur ein weiteres Pflaster auf eine immer hartnäckiger werdende Wunde zu kleben. Was wäre also die Rolle, für die man einen Peter Draisaitl andenkt?

Für Ruhe im Umfeld würde er mit Sicherheit sorgen. Einer Club-Legende pinkeln in Köln weder Medien noch Fans so schnell ans Bein – so viel hat die Vergangenheit bewiesen. Dass sein Sohn Leon in der besten Liga der Welt erfolgreich die deutschen – und in der subjektiven Wahrnehmung speziell die Kölner – Farben repräsentiert, ist mindestens unterschwellig ein Pluspunkt. Der Name Draisaitl ist selbst in überregionalen und normalerweise wenig eishockey-affinen Medien sehr präsent.

Der 146-fache Nationalspieler steht als Trainer nach eigenem Bekunden für „schnörkelloses Eishockey mit Zug zum Tor“. Eine Philosophie, die in ihrer Einfachheit und Klarheit aktuell Musik in den Ohren vieler Haie-Fans sein dürfte, die sich mit dem System von Niklas Sundblad schwer tun. Wie bodenständig und realistisch der ehemalige Stürmer als Trainer ist, zeigt ein Zitat aus der Vergangenheit, das bis heute nichts von seiner Wahrheit verloren hat. „Erfolg ist auch ein Ergebnis von Geduld, die man im Eishockey immer aufbringen muss“, wurde Draisaitl vor Jahren bei hockeyweb zitiert. Wenn er die Kölner Haie nach dem kommenden Wochenende und zwei Monate vor den Playoffs als Trainer übernehmen sollte, dann ist Geduld zwar sicher nicht das, was er erwarten kann und wohl auch nicht wird, aber vielleicht das, was er mitbringen muss, um die vielen kleinen und großen Baustellen der Mannschaft in den Griff zu bekommen.

Es ziehe ihn zurück in die DEL, hatte Draisaitl vor seinem Engagement in Nürnberg gesagt. Da komme er her. Dass er unter normalen Umständen das Angebot des Trainerpostens in Köln sicher als große Ehre und Chance sehen würde, ist wohl unbestritten. Nun aber zum dritten Mal als Feuerwehrmann bei einem kriselnden DEL-Club einzuspringen – und zudem eben bei einem, bei dem er nicht nur seine Trainerreputation sondern ganz massiv auch seinen in Köln hochgeschätzten Namen in die Waagschale werfen würde – sind vermutlich nicht die Umstände, die Draisaitl sich für eine erneute Rückkehr in die DEL wünschen würde. Nicht nur der Club, auch Peter Draisaitl müsste das sorgfältig abwägen. Er ist kein Trainer kurz vor der Rente. Entscheidungen, die er jetzt trifft, können noch große Konsequenzen für seine weitere Karriere haben – im Guten wie im Schlechten.

Die Kölner Haie würden sicherlich in erster Linie von einer Verpflichtung von Peter Draisaitl profitieren. Selbst wenn er mit der Mannschaft die sportliche Wende in dieser Saison nicht schaffen würde, so wäre er doch jemand, der die bislang laute Kritik an Club und Mannschaft deutlich abdämpfen würde. Das würde allerdings niemandem wirklich helfen. Weder dem Club, noch Peter Draisaitl selbst. Es wäre ein mutiger Schritt, sollte er dieses Risiko eingehen.

Außerdem in den Medien gefallen ist der Name Pavel Gross. Der Trainer der Grizzlys Wolfsburg hatte mit seiner Mannschaft zu Saisonbeginn ebenfalls zu kämpfen, doch den Niedersachsen gelang eine fulminante Wende. Mit einer Siegesserie von 9 Spielen schafften sie den Sprung aus dem Tabellenkeller ins Mittelfeld und rangieren aktuell auf Platz 6. Es ist nicht das erste Mal, dass die Mannschaft unter Gross aus einer schwierigen Phase (sei es zahlreiche Verletzungsausfälle oder wie aktuell unkonstantes Spiel) erstärkt hervorgegangen ist. Pavel Gross zeichnet vor allem eins aus: sein Ehrgeiz. Und den schafft er seit Jahren auf seine Mannschaft zu übertragen.

Als Gross im Dezember 2013 seine letzte Vertragsverlängerung bis 2016 bei den Grizzlys unterschrieb, gab der gebürtige Tscheche zu Protokoll: „Wir haben in den letzten Wochen sehr viel über die Zukunft und auch die Ausrichtung des Klubs gesprochen. Das war für meine Entscheidung sehr wichtig.“ Wolfsburgs Manager Charly Fliegauf hatte die Zielsetzung ausgegeben, „mit den ganz Großen der Liga konkurrieren“ zu wollen. Für den ehrgeizigen Gross, der sich vielleicht mehr als jeder andere Coach der Liga einen Titel wünscht, waren das zu dem Zeitpunkt die richtigen Signale. Nun sind wir im Januar 2016 angekommen, der Vertrag von Gross läuft Ende der Saison aus und nirgends ist auch nur eine Silbe über eine weitere Vertragsverlängerung mit dem aktuellen Grizzly-Coach zu hören.

Die Entwicklung, die Pavel Gross als Trainer gemacht hat, ist auch dem Rest der Liga nicht verborgen geblieben. Ob sein Erfolg in Wolfsburg sich auch in einen höher budgetierten Markt wie Köln übertragen lässt, stünde zu beweisen. In erster Linie ist Gross aktuell aufgrund seines laufenden Vertrages bei den Grizzlys aber keine Option, sollten die Kölner Haie nach dem kommenden Wochenende einen neuen Trainer verpflichten wollen. Wenn überhaupt wäre er ein Kandidat für die kommende Saison.

Das wiederum müsste vermutlich voraussetzen, dass Niklas Sundblad bis Saisonende Trainer der Kölner Haie bleibt. Kaum vorstellbar, dass ein Larry Huras oder ein Peter Draisaitl jetzt in Köln die Bande übernehmen würden ohne zumindest eine Option auf eine Fortsetzung des Engagements über diese Saison hinaus. Die KEC-Clubführung wird eine Entscheidung – in welche Richtung auch immer – also nicht ohne Blick auf die nahe Zukunft fällen können.

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

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Offenbar Deadline für Sundblad am Wochenende

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