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Einbürgerung: Neue Vorwürfe aus Krefeld

Johannes Salmonsson beim Vorbereitungsspiel gegen Langnau. Foto: Steffen Thaut
Johannes Salmonsson beim Vorbereitungsspiel gegen Langnau. Foto: Steffen Thaut

Die Einbürgerung der ausländischen Spieler ist schon lange ein Thema im Deutschen Eishockey. Vor allem die Iserlohn Roosters haben schon oft für Unmut in der Liga gesorgt. 2016 erst hatte Haie-Verteidiger Moritz Müller während einer empfindlichen Niederlage am Seilersee den Kader als “kanadische 1c-Nationalmannschaft” bezeichnet. Ausgerechnet KEV-Aufsichtsratschef Wolfgang Schulz nimmt diese Vokabel gegenüber der Rheinischen Post wieder auf und prangert nun Bremerhaven an: “Bremerhaven hat für mich demnächst eine kanadische C-Nationalmannschaft. Das ist eine klare Wettbewerbsverzerrung”.

Krefelder Umfeld erhebt schwere Vorwürfe

Grund für den Unmut ist der bevorstehende Wechsel von Justin Feser zum Ligakonkurrenten nach Bremerhaven. So habe laut dem Artikel der Rheinischen Post (Endzeitstimmung bei den Krefeld Pinguinen, 1. Februar 2018 in der Online-Ausgabe) dem kanadischen Stürmer ein finanziell besseres Angebot aus Krefeld vorgelegen. Es wird aber von Schulz davon ausgegangen, dass der Spieler mit dem Erhalt der Deutschen Staatsbürgerschaft in den Norden gelockt wurde. Rüdiger Noack, Berater des KEV-Aufsichtsrates und selbst ehemaliger Mitarbeiter der Stadt Krefeld sowie ehemaliger sportlicher Leiter des KEV-Nachwuchs verriet sogar ein nicht unwichtiges Detail. So sollen die Spieler in den beiden genannten Standorten bei ihrer Einbürgerung unterschreiben, dass sie nach Karriereende den deutschen Pass wieder abgeben werden. Dies sei mit Torwart Chet Pickard (der 2015 nach Iserlohn statt nach Krefeld wechselte) und mit Ex-Hai Johannes Salmonsson am Seilersee so praktiziert worden und auch Bremerhaven wird mit ähnlichen Vorgehensweisen genannt.

Gesetzlich interessant wird der §26 des Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG), nachdem beschrieben wird, dass der Verzicht der deutschen Staatsangehörigkeit schriftlich zu erklären ist und es einer Genehmigung der zuständigen Behörde bedarf. Dass dieser an manchen DEL-Standorten aber quasi als Voraussetzung für die Einbürgerung schon im Vorfeld unterschrieben werden muss, wirkt grotesk.

Warum eigentlich der Trend zur Einbürgerung?

Ausgerechnet Iserlohn und Bremerhaven spielen derzeit in der 1. Playoff-Runde gegeneinander: Von 41 Spielern auf dem Spielberichtsbogen sind insgesamt nur 6 Spieler in Deutschland geboren (Spiel 1). Die zentrale Frage, die sich jeder Eishockey-Zuschauer aber auch stellt: Warum eigentlich? Warum sind vor allem diese beiden Clubs sehr aktiv bei den Einbürgerungen ausländischer Spieler, um auf diese Weise geschickt die DEL-Regularien einzuhalten?

Der Grund ist natürlich das Geld. Iserlohns Sportmanager Karsten Mende kommentierte das Interview von Moritz Müller Anfang 2016 mit dem Hinweis, dass er gerne auf Gehalt verzichten könne um selbst für die Roosters auflaufen zu können.  Die Einbürgerung ist auch deswegen wichtig für die Clubs. Es gibt zu wenige deutsche Spieler auf dem Markt, um eine gerechte Verteilung über die Clubs hinweg zu garantieren. Denn durch den Schutz der Regeln sind die deutschen Spieler in der DEL gut bezahlte Akteure geworden. In vielen Fällen sind sie die teuersten Spieler im Team, obwohl sie nicht immer zu den Leistungsträgern gehören. Ein Umstand, den die wirtschaftlich vermeintlich kleineren Clubs nicht mitgehen können.

Das hier Möglichkeiten gesucht werden, kann also gar kein Vorwurf an die genannten Clubs zu verstehen sein. Einen Standortvorteil hat es allerdings schon, wenn bestimmte Städte und Kommunen scheinbar zu solchen Mitteln greifen, um Spielern die deutsche Staatsangehörigkeit zu geben. Vor allem Bremerhaven hat nach dem Artikel der Rheinischen Post wohl einen besonderen Vorteil. Vor Jahrzehnten schon sind die Schiffe aus Deutschland von hier in die USA gefahren. Die Stadt könne dadurch auf Archive zurückgreifen, die keine andere Stadt in Deutschland besitzt. So soll es auch in diesem Fall beim Spieler Justin Feser gewesen sein, dessen Vorfahren aus Bremerhaven in die USA gewandert sind. Krefeld hatte sich dem Vernehmen nach zu urteilen auch um eine Einbürgerung bemüht, allerdings keine Mittel gefunden.

Doppelmoral aller Beteiligten?

Interessant wird es natürlich auch, warum die anderen Clubs nicht offensiver mit dieser Thematik umgehen. Der vermeintliche Nachteil liegt auf der Hand. Sind es nur Behauptungen und die Zweifel zu groß? Warum die Ruhe? Auf Rückfrage von haimspiel.de haben uns DEL-Standorte bestätigt, dass Clubs wie Iserlohn und Bremerhaven Arbeit erledigen, von denen alle Clubs profitieren können: Es kommen neue deutsche Spieler auf den Markt, die zudem um einiges günstiger sind. Nicht nur die Clubs profitieren von der Einbürgerung an den genannten Standorten (im zweiten Schritt), sondern sogar der DEB.

Brooks Macek kam über Iserlohn nach Deutschland und war wie Darryl Boyle in der diesjährigen Olympia-Mannschaft ein Leistungsträger mit wichtigen Treffern. Augsburg hatte es geschafft, Boyle nach Deutschland zu holen und ihn mit einer deutschen Staatsbürgerschaft auszustatten. Gelohnt hat sich das vor allem für RB München, die mit Boyle und Macek zwei absolute Top-Spieler mit deutschem Pass für sich gewinnen konnten. Ähnliche Transfers haben natürlich auch schon Mannheim (Pickard), Köln (Wruck, TJ Mulock oder Boucher) und Berlin / Ingolstadt (Olver) vollzogen und ihre Vorteile daraus ziehen können.

Forderung: Ausländerbegrenzung ganz aufgeben

Die heutige Situation ist also schwer zu beurteilen. Kann man, wie aus Krefeld zu hören, Iserlohn und Bremerhaven wirklich einen Vorwurf machen? Welche Rolle spielt die Liga und die anderen Clubs? Ist man insgeheim sogar froh, dass diese Prozesse an den Standorten angeschoben werden? Fakt ist: Das Problem ist schon länger bekannt, erhält aber mit der “vorzeitigen Erklärung auf den Verzicht der deutschen Staatsbürgerschaft nach Karriereende” eine völlig neue Dynamik. Trotzdem gilt: Die Ursache des Handelns liegt ganz woanders. Es gibt – offensichtlich nach Meinung der Sportdirektoren – zu wenige deutsche Spieler auf DEL-Niveau. Dies führt zu sehr teuren Preisen und zwingt kleine Vereine dazu, sich andere Lösungen einfallen zu lassen.

Eine Lösung? Schwierig zu finden. Bundestrainer Marco Sturm hatte erst vor den Olympischen Spielen angemahnt, dass die Ausländerregelung nochmals verschärft werden müsse. Eine andere Möglichkeit könnte sein, die Ausländerbegrenzung ganz aufzugeben. Dies hätte das Ziel, leistungsgerechte Lohnstrukturen innerhalb der Teams zu schaffen. In vielen Fällen sind die Clubs machtlos und die deutschen Spieler erkennen die Begehrlichkeiten um die eigene Person. Das spiegelt sich dann auch in der Gehaltsstruktur wider. Bei einer freien Liga müsste jeder Spieler, unabhängig von Staatszugehörigkeit, mit Leistung überzeugen.

DEL-Ligenleitung und Clubs schweigen

Auf Anfrage, ob die Praktiken der Clubs bzgl. des Verzichtes der DEL-Ligenleitung bekannt wären, wurde haimspiel.de gegenüber nur auf einen Presseartikel für die Eishockey-News von 2015 hingewiesen. Hier erklärte Rechtsanwältin Imke Gielen (Fachanwältin für Verwaltungsrecht) zur allgemeinen Diskussion der Einbürgerungen im Deutschen Eishockey: “Grundsätzlich hat ein Sportverband oder eine Sportliga selbstverständlich keine Handhabe, die Einbürgerung eines ausländischen Staatsbürgers zu verhindern, wenn die Voraussetzung des Staatsangehörigkeitsgesetzes erfüllt sind, weil es einen Sportverband schlicht nichts angeht, zum Beispiel, wenn ein Sportler mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist und nun eingebürgert wird”. Die neuen Vorwürfe aus Krefeld, eine Absichtserklärung zur Abgabe der deutschen Staatsbürgerschaft zu unterzeichnen, sei der Liga “nicht bekannt” laut Matthias Schumann, Leiter Kommunikation. Weitere Erläuterungen dazu blieben offen.

Die beiden DEL-Clubs aus Bremerhaven und Iserlohn hatten trotz mehrmaliger Nachfrage unsere Anfrage nicht beantwortet.

 

Schwierige Frage: Soll die DEL die Ausländerregelungen aufheben? Schreib uns in die Kommentare, warum du das so siehst!

Über den Autor: Dennis Wegner

Dennis gründete gemeinsam mit René im Sommer 2003 haimspiel.de und betreut die Seite bis heute als 1. Vorsitzender. Außerdem war er zwischendurch für das Haie-Fanprojekt tätig, hat mit dem Team und der Fanszene "Wir sind Haie" ins Leben gerufen und die Flyeraktion "Köln ohne Haie?" mit großem medialen Echo organisiert.

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4 Kommentare

  1. Piratenbraut313
    09.03.2018

    Was soll der Quatsch? Entweder die Spieler bekommen die deutsche Nationalität oder nicht. Diese dann den Spielern nach Karriereende wieder abzunehmen ist unfair! Wenn die Spieler sich zum Wechsel entscheiden, sollten sie die dann auch für immer behalten dürfen! Wenn die Vereine, oder wer auch immer, der Meinung ist, wir hätten in Deutschland zu wenig gute deutsche Spieler, sollen sie mehr junge deutsche Spieler besser ausbilden.

  2. Dampfmaschiehn
    10.03.2018

    Ein wirklich lesenswerter Artikel, mit mir zum Teil neuen Fakten. vielen Dank!

    Das inhaltliche und fachliche Niveau auf haimspiel.de ist bemerkenswert hoch und macht den Haien alle Ehre – das hat so kein anderer deutscher Club.

  3. Stefan
    13.03.2018

    Dass Feser nach Bremerhaven geht, kann aber auch mit einer besseren sportlichen Perspektive zusammenhängen. Dass freiwillig auf mehr Geld wegen Einbürgerung verzichtet wird, erscheint mir zweifelhaft. Die Einbürgerungspraxis führt nicht zwingend zu mehr Erfolg, siehe Iserlohn. Bremerhaven muss aus den Einzelspielern erstmal eine Mannschaft formen, was ihnen bisher super gelungen ist. Krefeld könnte ja auch mehr Spieler locken mit der Aussicht auf Einbürgerung?

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