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Da, wo sie sein wollen

KEC-Headcoach Cory Clouston - Foto: Steffen Thaut

Die Kölner Haie fahren derzeit nicht die Resultate ein, die der Kader erwarten lassen dürfte. Das war zu Saisonbeginn anders und hat für das Punktepolster gesorgt, durch das der KEC die Häufung an Niederlagen in der jüngeren Vergangenheit ohne allzu verheerende Auswirkungen in der Tabelle überstanden hat. Auch wenn die Ergebnisse zuletzt wenig zufriedenstellend waren, so sieht Headcoach Cory Clouston seine Mannschaft aktuell spielerisch auf einem besseren Niveau als während des punktereichen Saisonstarts. Spieler und Trainer sehen sich in ihrer Entwicklung aktuell da, wo sie zum jetzigen Zeitpunkt sein wollen.

Clouston bleibt seiner Philosophie treu

Clouston betrachtet den Saisonauftakt genauso wenig euphorisch, wie er sich von der jüngsten Pleitenserie in Panik versetzen oder von seinem Konzept abbringen lässt. Seine Philosophie, mit der er der Mannschaft am Ende der vergangenen Saison zurück auf die Siegerstraße verholfen hat, hat sich während der gesamten Zeit und bis zum heutigen Tag nicht geändert. „Wir können nur in jedem Spiel da rausgehen und uns durch die Art und Weise, wie wir spielen, die bestmögliche Chance auf einen Sieg geben. Aber wir dürfen nicht von vorneherein an den Ausgang einer Partie denken. “

An der Art und Weise, wie seine Mannschaft aktuell spielt, hat Clouston wenig auszusetzen. Das war im Saisonverlauf – trotz des erfolgreichen Starts – nicht immer so. „In unseren ersten beiden Spielen der Saison hatten unsere Gegner deutlich mehr Torchancen. Solche Spiele verliert man im Normalfall. Wir haben die beiden Partien gewonnen“, erklärt Clouston. „Im Moment verlieren wir Spiele, in denen wir deutlich mehr Torchancen als unsere Gegner haben.“

Resultate zu Saisonbeginn sehr von Wesslau abhängig

Bis zur Länderspielpause hatten die Haie einen Gegentorschnitt von 1,64 pro Spiel. Ein ausgezeichneter Wert, der nicht zuletzt auch durch die vier Shutouts von Kölns Topgoalie zustande kam. „Wir waren zu Saisonbeginn sehr von Gustaf [Wesslau] abhängig. Aber eine Fangquote von 96% über eine komplette Saison aufrechtzuerhalten, ist illusorisch“, so Clouston. Mit einem Wesslau in Überfliegerform haben die Resultate gestimmt, aber das Spiel seiner Mannschaft sah der Headcoach noch lange nicht auf dem angestrebten Niveau.

Nach der Länderspielpause lief in den ersten Partien wenig nach Wunsch. Lässigkeiten und Unkonzentriertheiten hielten Einzug ins Spiel der Haie, die sich nach eigenem Bekunden in ihrer guten Tabellenposition ein bisschen zu wohl gefühlt hatten. Zeitgleich hatte auch Gustaf Wesslau ein wenig zu kämpfen. Er lieferte zwar immer noch auf hohem Niveau ab, war aber mit sich selbst nicht hundertprozentig zufrieden.

„Bis [zur Länderspielpause] fand ich gut, wie ich gespielt habe und wie die Mannschaft gespielt hat. Aber danach habe ich ein paar Fehler gemacht. Ich muss wieder dahin zurückfinden, wie ich vor der Länderspielpause gespielt habe“, erklärte der Schwede noch Anfang Dezember im haimspiel.de-Interview. „Es sind immer die Bewegungen, die Beinarbeit – solche Dinge. Oder auch die Position im Tor, wie tief man stehen will oder ob man sich in einer Situation aus dem Torraum heraus auf den Angreifer zubewegt. Ich glaube, das sind Dinge, an denen ich arbeiten muss. Diese Dinge habe ich vor der Länderspielpause besser gemacht.“

Derbyniederlagen als Weckruf

Der Gegentorschnitt seit der Länderspielpause liegt bei 2,54. Die Haie kassierten also fast ein Tor mehr pro Spiel als in den ersten vierzehn Partien der Saison. Das ist – bei aller lobenswerten Selbstkritik von Wesslau – allerdings nicht dem Goalie anzukreiden. Mit immer noch herausragenden 93,7% Fangquote ist er nach wie vor nachweislich Kölns bester Spieler. Vielmehr nutzten die Gegner die halbherzige Umsetzung des planmäßig aggressiven Defensivspiels kombiniert mit kapitalen individuellen Fehlern konsequent aus. Clouston mahnte wiederholt zur Einhaltung des Game-Plan, sah seine Mannschaft aber oft nicht ihre Leistungsfähigkeit ausnutzen.

Die Derby-Niederlagen gegen Düsseldorf und Krefeld Mitte November, in denen die Haie zudem schlicht ihre Beine nicht fanden und vor allem läuferisch deutlich unterlegen waren, dienten als Weckruf. Es gab Gespräche und Mannschaftssitzungen, um zurück in die Spur zu finden. Das zumindest scheint gelungen, denn seitdem bleibt die Mannschaft bis auf kurze Aussetzer in ihrer Struktur, verrichtet aggressiv die Arbeit in der eigenen Zone und generiert Torchancen.

Vor dem Tor konsequenter werden

Was sich allerdings nicht eingestellt hat, sind konstante Resultate auf dem Scoreboard. „In jedem Spiel seit der Länderspielpause hatten wir deutlich positive Corsi-Werte und die Mehrzahl an Torchancen“, erläutert Cory Clouston mit Verweis auf die intern geführten Statistiken. „Ich bin überzeugt, dass wir auf einem guten Weg sind. Solche Spiele wie zum Beispiel unser erstes Spiel gegen München, in dem wir einen massiv negativen Corsi-Wert hatten, gewinnt man nur sehr selten. Auf solchen negativen Werten kann man keinen dauerhaften Erfolg aufbauen. Das erste Saisonspiel gegen Mannheim haben wir gewonnen, aber unser letztes Spiel gegen die Adler – die 2:4-Niederlage – war von uns ein wesentlich besseres Spiel mit deutlich mehr und besseren Torchancen. Ich bin überzeugt, dass man langfristig eher solche Spiele gewinnt.“

„Meiner Meinung nach dürfen wir uns nicht von Siegen und Niederlagen irritieren lassen im Vergleich dazu, wie wir gespielt haben“, so Clouston weiter. „Es geht natürlich ums Gewinnen, aber wir konzentrieren uns darauf, gut zu spielen. Man kann Spiele unverdient gewinnen, wenn zum Beispiel der Goalie gerade heiß ist oder wenn die Scheibe ein paar Mal glücklich für einen springt. Aber ein Spiel wie unser 2:0-Sieg gegen Mannheim ist kein gutes Spiel. Wir spielen jetzt viel besser. Wir spielen starkes, solides Eishockey. Wir versuchen, in den Bereichen Veränderungen vorzunehmen, in denen wir besser werden wollen, und auf den Dingen aufzubauen, die wir gut machen. Wir müssen aber unsere Torchancen auch nutzen.“

„Wir spielen eigentlich ziemlich gut im Moment. Jeder in der Kabine glaubt an unsere Mannschaft, an unsere Coaches und an unser System. Es sind die Tore, die wir aufgrund von individuellen Fehlern abgeben, die uns Spiele kosten“, befindet Corey Potter. „Dadurch, dass wir selbst im Moment nicht so oft treffen, haben wir wenig Spielraum für Fehler.“

„Die Resultate stimmen im Moment nicht. Damit sind wir natürlich auch nicht zufrieden. Aber in dem Prozess, den man als Mannschaft von Saisonbeginn bis Saisonende durchläuft, sind wir da, wo wir sein wollen“, erklärt Christian Ehrhoff. „Wir machen so viele Dinge richtig. Da muss man die Ruhe bewahren und nicht den Glauben an sich selbst oder das Selbstbewusstsein verlieren. Sonst fällt auch noch das auseinander, was gut funktioniert.“

Dass aus den Torchancen wieder Zählbares werden muss, ist den Spielern sehr bewusst. Nach der 1:2 n.P.-Niederlage gegen die DEG sagte Shawn Lalonde: „Wir müssen einfach konsequenter vor dem Tor werden.“ Und auch Philip Gogulla sieht in diesem Punkt Verbesserungspotential: „Im Moment verlieren wir mehr Spiele als wir gewinnen. Deswegen muss man zwar auch geduldig bleiben und konsequent das System spielen, denn das System ist richtig und gut, aber eben auch vor dem Tor ein bisschen verbissener werden und diese Tore auch unbedingt wollen.“ Das richtet sich an das gesamte Team, denn eine Durststrecke in Sachen Tore durchlebt derzeit nahezu die gesamte Mannschaft.

Was der Wille ausmachen kann, hat nicht zuletzt das letzte Spiel in Augsburg gezeigt. Speziell in den Situationen vorm Augsburger Tor behielten die Panther stets die Oberhand – und zwar mit allen Mitteln und um jeden Preis. Es ist diese Haltung, die darüber entscheidet, ob man einen Nachschuss über die Linie drückt oder eben genau das verhindert. Die Haie haben Struktur und Spielordnung verinnerlicht. Was stellenweise fehlt, ist der letzte Torhunger und eine gute Portion Killerinstinkt. Dazu braucht es nicht nur Willen sondern auch Selbstbewusstsein, das jeder Spieler entwickeln und der Trainer fördern muss.

Clouston erklärt: „Wenn ich zu einem der Jungs sagen würde ‚Du musst morgen ein Tor machen‘, was würde das in seinem Kopf anrichten? Würde er deshalb besser spielen? Nein. Ich gehe zu jemandem und sage, wir arbeiten an ein paar Dingen oder analysieren ein paar Videos, um Selbstvertrauen aufzubauen. Wir arbeiten an ein paar Dingen vor, nach und während des Trainings. Darauf konzentrieren wir uns. Andere Dinge als das haben wir nicht unter Kontrolle.“

Bankmanagement von gut bis Fragezeichen

Innerhalb der Spiele versucht Clouston immer wieder, das Momentum einzelner Akteure bestmöglich zu nutzen. Sei es z.B. mit Doppelschichten für Philip Gogulla in Augsburg oder die jüngste Beförderung von Johannes Salmonsson in die Top-6. Gogulla nahm den Schwung aus Augsburg mit ins Schwenningen-Spiel und erzielte per Konter den Gamewinner. Der Tausch Mulock gegen Salmonsson während des letzten Mannheim-Spiels hatte sich direkt ausgezahlt, denn Hagers Tor zur zwischenzeitlichen 2:1-Führung war das Resultat von Salmonssons Arbeit hinter dem Mannheimer Tor. Der Schwede, dessen Spiel vom Selbstbewusstsein lebt, nimmt seinen Sprung nach oben im Line-Up als weitere Motivation. Clouston beweist im Management seiner Bank oft genug ein gutes Gespür.

Wenig verständlich ist daher, warum ein sichtlich angeschlagener Travis Turnbull keine Pause bekommt. Der 30-jährige Center ist eine Kämpfernatur, dem halbherzige Einsätze nicht im Blut liegen. Es war über die letzten Spiele sichtbar, dass er nicht so konnte, wie er wollte. Bereits nach dem letzten Mannheim-Spiel legte Turnbull den Weg aus der Kabine bis zum Mannschaftsbus deutlich humpelnd zurück. Gegen Düsseldorf lief er noch auf, fehlte im Training jedoch seitdem. Jetzt verkündete der Club, dass er für drei bis vier Wochen mit einer Unterkörperverletzung ausfällt.

T.J. Mulock kommt nun wieder als Center in der dritten Reihe zum Einsatz. Die vierte Reihe setzt sich aus Ohmann, Latta und Boucher zusammen. Eine Option, die Clouston vielleicht schon früher hätte wählen können. Die Reihe mit Kai Hospelt, Max Reinhart und Ryan Jones ist die einzige Formation, die seit längerem Bestand hat. Wohl die eine Konstante, die Clouston bestehen lassen möchte, da im Rest des Line-Ups verletzungsbedingt unfreiwillig eine Menge Bewegung ist.

Powerplay wieder zu einer Stütze machen

Erstaunlicherweise ist in der gesamten Liga Augsburg die einzige Mannschaft, die von ihrem Powerplay „lebt“. 32 ihrer aktuell 87 Tore erzielten sie in Überzahl, also mehr als ein Drittel. Spitzenreiter München leistet sich eine Powerplayquote von unter 10%, schießt aber trotzdem die meisten Tore pro Spiel. Ähnliches gilt für Nürnberg. Wer den Job bei fünf gegen fünf so souverän erledigt bekommt, dem tut ein schwächelndes Powerplay nicht weh. Für die Haie wäre ein wiederbelebtes Powerplay derzeit Gold wert.

Mit Christian Ehrhoff hat der KEC einen Quarterback, der Überzahlspiele aufziehen kann wie sonst kaum jemand in der Liga. „Unser Fokus bei Christian liegt nicht auf seinen Torschüssen. Er soll viel mehr Räume für seine Mitspieler schaffen“, erklärt Clouston das Überzahl-Setup der Haie rund um den Starverteidiger. „Christian zieht viel Aufmerksamkeit auf sich. Wenn wir diese Situationen richtig lesen, ergeben sich gute Chancen für die anderen Spieler in seiner Powerplay-Formation. Über das richtige Lesen dieser Situationen sprechen wir im Moment viel. Wenn der Gegner sich darauf konzentriert, Christians Schussbahn wegzunehmen, dann eröffnen sich andere Möglichkeiten, die wir nutzen müssen“, erklärt Clouston. Das klingt noch nach work-in-progress.

Dass vor allem mehr Bewegung ins Überzahlspiel muss und man häufiger den Abschluss suchen sollte, ist die Zielsetzung in der Arbeit im Training. Gleichzeitig sind Dinge wie Zwei-auf-eins-Konter, Direktabnahmen sowie die Arbeit im gegnerischen Torraum immer wieder Inhalt der Übungseinheiten. „All diese Drills sind dazu da, den Jungs Selbstvertrauen beim Abschluss vorm Tor mitzugeben“, erklärt Clouston. „Gleichzeitig sind das natürlich auch gute Übungen für die Goalies, aber in erster Linie sind es Übungen für die Schützen.“

Der eingeschlagene Weg wird beibehalten

Der Trainer und die Mannschaft sind überzeugt von ihrem Weg. Solange man sich Spiel für Spiel ein Chancenplus im Vergleich zum Gegner erarbeitet, gibt es keine Veranlassung, ihn zu ändern. Für Clouston ist das Produkt auf dem Eis aber auch noch nicht fertig. Verbesserungsbedürftige Bereiche sind Headcoach und Mannschaft bewusst und werden kontinuierlich bearbeitet. Der Schippe mehr an unbedingtem Willen vor dem gegnerischen Tor bedarf es aber zusätzlich, damit aus Chancen zwingende Chancen werden. Das stellt aber nicht grundsätzlich Philosophie, System und Umsetzung in Frage, mit denen Clouston den KEC seit seiner Amtsübernahme wieder auf ein solides Fundament gestellt hat: „Das und nichts anderes haben wir letzte Saison gemacht. Das und nichts anderes machen wir in dieser Saison.“

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

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Sharkbite #47 – Fröhliche Hainachten!

3 Kommentare

  1. Thomas
    23.12.2016

    Sehr guter Artikel!!!
    Man was würde ich für sowas im ksta, oder anderen Zeitungen geben. *seuf* Naja das Weihnachtswunder kann ja vielleicht noch werden.
    Ich bin mal wieder etwas verwirrt. Turnbull war angeschlagen? Okay das ist mir in der Tat entgangen. Aber warum bekommt er bei so einem vollen Lineup keine Pause? Berechtigte Frage im Artikel. Ich bin ja sehr gespannt was mich da heute in Krefeld erwartet. Das klingt sehr starkt nach einer intensiven Trainingswoche. Ich mache mir allerdings Sorgen, was passiert wenn heute in Krefeld alles so läuft wie immer. Aber noch bin ich Optimistisch. Das ist jetzt das erste mal seit langer Zeit, dass ich bewusst kritische Stimmen von Clouston zur Kenntnis nehme. Warum die Hager, Gogulla, Salmonson Reihe gesprengt wurde nach der letzte Saison habe ich bis heute nicht verstanden.

    Es erwartet ja auch keiner das man ein komplett neues System etabliert. Auch hier gibt es zu viele gute Ansätze. Man muss aber die Kleinigkeiten aus meiner Sicht ändern. Stichwort Timing. Das dürfte heute eine sehr interessante Partie werden.

    Addouno zurück, und Haie Training zum Tore schießen. Wäre ja alles für ein Torfestival angerichtet… Wehe es gibt am Ende Penaltyschießen :D.

    Gruß
    Thomas

  2. Oliver
    23.12.2016

    Wieso beschäftigen die Haie keinen mental Coach mehr???
    Ich könnte mich ja irren, aber ich meine 2002 hatten wir einen.
    Ich finde in Augenblick scheint es ja der Kopf zu sein, dann sollten sie doch daran Arbeiten.

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