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Clouston: “Wir sind noch lange nicht fertig.”

Haie-Headcoach Cory Clouston im Haimspiel.de-Interview - Foto: Henrike Wöbking

Der Headcoach der Kölner Haie hat sich zwischen Video-Analysen und Vorbereitungen auf die kommende Trainingswoche die Zeit genommen, mit uns über den Ist-Zustand der Mannschaft, seinen Coaching-Stil und seine Zukunftspläne zu sprechen.

Herr Clouston, Sie haben hier vor drei Wochen ein Team übernommen, das ohnehin schon zu kämpfen hatte, und dann sind mit Jones, Williams, Eriksson und Sulzer auch noch eine Reihe Schlüsselspieler verletzt ausgefallen. Das sind aktuell eine Menge Zitronen, aus denen Sie Limonade machen sollen.

Ja, manchmal kommt es einem so vor. Aber ich habe schon oft Teams gecoacht, die lange Zeiten mit Verletzungsausfällen durchstehen mussten. Man hat dann zwei Möglichkeiten. Entweder man lamentiert darüber oder man sagt sich, ok, dann müssen wir eben andere Wege finden um zu gewinnen. Im letzten Spiel haben wir Salmonsson auf die Position von Ryan Jones in der Reihe mit Hager und Gogulla gestellt. Eigentlich wollten wir das nicht tun, weil die Falk-Salmonsson-Aslund-Reihe so gut zusammen gespielt hat. Aber wir mussten diesen Schritt gehen. Je nach Spielsituation und Spielstand haben wir stattdessen Boucher oder Ohmann zu Falk und Aslund gestellt, weil die beiden ein bisschen unterschiedlich sind. Ohmann ist der offensivere Spieler von den beiden. Aber wie gesagt, ich war in den letzten 20 Jahren schon öfter in solchen Situationen. Man muss einfach andere Wege finden, um zu gewinnen. Und so lange muss man hoffen, dass die Verletzten so schnell wie möglich wieder gesund werden. Es war schon hart, weil es wirklich Schlüsselspieler sind. Das sind schon eine Menge Dinge, die uns in letzter Zeit passiert sind.

Neben Gogulla-Hager-Salmonsson funktioniert auch die Reihe mit Umicevic, Latta und Weiß sehr gut. Was war die Idee hinter der Kombination?

Die sind jetzt ja seit drei Spielen zusammen. Manchmal braucht man ein bisschen Zeit, um die Stärken und Schwächen von Spielern kennenzulernen. Dann bekommt man eine Idee, welche Kombinationen besser zusammen funktionieren könnten. Inzwischen habe ich natürlich ein besseres Bild von den Spielern als bei meinem Amtsantritt. Mit Weiß und Umicevic hat man zwei Spieler, die gute offensive Instinkte haben. Latta ist ein bisschen geradliniger in seiner Spielweise. Er ist jünger, also ist es manchmal gut, so jemandem ältere Spieler an die Seite zu stellen. Er ist sehr gut am Bullypunkt. Wenn man Scheibenbesitz will, sind Bullygewinne wichtig. Dieses Element bringt er auch mit in die Reihe. Und er hat offensives Kreativ-Potential. Das waren die Gedanken dahinter, die drei in eine Reihe zu stellen.

Nick Latta hat sich sichtlich gesteigert, seit er in dieser neuen Reihe spielt.

Ja, das sehe ich auch so. Für ihn ist es natürlich noch ein Lernprozess, und er hat noch einen langen Weg vor sich, bevor er seine Entwicklung abgeschlossen hat. Aber uns ist bewusst, dass er jung ist. Ich hatte einige Gespräche mit ihm darüber, wieviel Eiszeit er bekommt und um sicherzustellen, dass er gut auf seinen Körper achtet und genug Ruhe und Schlaf bekommt. Er spielt natürlich jetzt mehr. In meinen Augen hat sich die Art, wie er spielt, über die letzten sechs Spiele verändert. Viele Bereiche seines Spiels sind gut, andere Bereiche muss man nur noch optimieren. Wir haben ein bisschen Extra-Zeit investiert, mit ihm Videos anzuschauen und zu analysieren. Wir wollen, dass er besser wird. Wenn ich einem Spieler Videos davon zeige, was er nicht so gut macht, dann tue ich das immer auf der Grundlage, dass er eine Gelegenheit bekommt, sich zu beweisen, und das meiste daraus machen können soll. Ich würde einem Spieler keinen Gefallen tun, wenn ich ihm eine solche Gelegenheit gebe und ihn dann allein vor die Wand fahren lasse. Wir müssen ihm die Informationen, die Unterstützung und das Coaching geben, damit er den größtmöglichen Erfolg haben kann. Nick versteht das und ist in der Lage, Fehler zu sehen und dann raus aufs Eis zu gehen und es besser zu machen. Er ist ein Spieler, der sein Spiel in der letzten Zeit wirklich verbessert hat. Seit ich hier angekommen bin, werde ich oft gefragt, wie ich mit jüngeren Spielern umgehe und wie ich mit älteren Spielern umgehe. Ich finde nicht, dass man den Umgang mit Spielern auf diese beiden Kategorien beschränken kann. Man muss immer im Einzelfall sehen, wie jemand tickt, wie man ihn am besten erreicht und wie jemand auf unterschiedliche Dinge reagiert. Darum geht es beim Coaching. Es ist nicht einfach nur, zwischen A und B zu unterscheiden. Es gibt da eine Menge mehr Facetten.

Wer ebenfalls auffällt, ist Shawn Lalonde, der in den letzten Partien sein bestes Eishockey der bisherigen Saison spielt.

Absolut.

Wir hatten nach dem Ingolstadt-Spiel schon kurz über die Menge an Eiszeit gesprochen, die er bekommt. Gefühlt waren es über 30 Minuten, aber Sie sagten, es waren tatsächlich knapp über 26 Minuten. Er schien regelrecht aufzublühen. Das war vermutlich genau die Zielsetzung. Sind Sie zufrieden, dass der Plan aufgegangen ist?

Ja, absolut. Er spielt wirklich gut. Er ist ein sehr guter Schlittschuhläufer und kann es verkraften, viel zu spielen und in verschiedenen Situationen zu spielen. Genauso wie Danny Syvret. Die beiden haben ein bisschen Chemie entwickelt. Wenn sie in einem Spiel nicht so gut spielen, kriegen sie sicher auch nicht so viel Eiszeit. Jedes Spiel muss man neu angehen. Man kann nicht für jedes Spiel wie mit einem Plätzchen-Ausstecher vorgehen und den immer gleichen Plan haben, egal was passiert. Man muss in der Lage sein, ein Gefühl dafür zu entwickeln und zu lesen, wie ein Spiel läuft, wer an dem Tag gut spielt und wer nicht, und die Eiszeit der einzelnen Spieler entsprechend daran anpassen. Ich kann gar nicht anders coachen als so. Das ist für mich die Kunst beim Coachen. Im Krefeld-Spiel davor hatten sie übrigens nicht annähernd so viel Eiszeit. Da waren es vielleicht 22 oder 23 Minuten. Niemand hat bei mir eine bestimmte Menge Eiszeit sicher. In Ingolstadt haben die beiden gut gespielt, also haben wir das ausgenutzt. Wir haben auf der Bank ein genaues Auge auf die Eiszeiten und Längen der Wechsel und arbeiten mit diesen Informationen das ganze Spiel über.

Im Powerplay sind Lalonde und Syvret häufig fast die kompletten zwei Minuten auf dem Eis.

Das stimmt, aber auch das hängt davon ab, wie sich das Powerplay entwickelt. Wenn wir die meiste Zeit in der Angriffszone sind, dann bleiben die beiden drauf. Wenn wir die Scheibe aber mehrmals aus der eigenen Zone abholen müssen, dann wechseln sie nach einer Minute. Die Verteidiger müssen sich im Powerplay ja nur an der Blauen Linie bewegen. Das ist nicht so ermüdend. Die können also in Überzahl deutlich längere Wechsel spielen als Stürmer, die ständig in Bewegung sind. Man hat also sogar nicht nur ein Auge auf die Länge von Wechseln, sondern auch darauf, was in den Wechseln passiert. Wenn wir die ganze Zeit in der Angriffszone sind, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass die beiden das komplette Powerplay auf dem Eis bleiben.

Sie hatten immer einen Offensiv-Verteidiger zusammen mit einem Defensiv-Verteidiger in einem Block. Das hat sich inzwischen geändert. Mit Lalonde und Syvret gibt es momentan einen reinen Offensiv-Verteidiger-Block.

Weil Sulzer ja auch schon fehlte, hat sich mit dem Ausfall von Fredrik Eriksson das Gesicht unserer Defensive definitiv verändert. Uns fehlte ein Top-2-Verteidiger. Außerdem mussten wir durch den Ausfall von Jones einen Verteidiger im Sturm einsetzen. Es ging also wieder darum, Anpassungen vorzunehmen, die uns die beste Chance geben, Spiele zu gewinnen.

Lalonde und Syvret in einen Verteidiger-Block zu stellen, bündelt derzeit quasi die komplette Offensive der Verteidigung in einem Paar. Zudem verkürzen Sie auch konsequent und relativ früh in Spielen die Bank auf drei Sturm-Reihen. Würden Sie genauso coachen, wenn der Druck zu gewinnen – noch – nicht so hoch wäre?

Auf jeden Fall. Definitiv. Es geht ums Gewinnen. Wir sind keine Ausbildungsliga. Da greife ich nochmal auf Nick Latta als Beispiel zurück. Als wir vorhin darüber gesprochen haben, wo er heute steht im Vergleich zu vor zwei Wochen, dann sage ich, er ist heute ein viel besserer Spieler. Trotzdem wird es vielleicht Spiele geben, in denen er nicht so viel Eiszeit bekommt, wenn er nicht so gut ist. In anderen Spielen, in denen er gut spielt, wird er eine Menge Eiszeit haben. Eine Saison ist lang. Man kann nicht aus vier oder fünf Spielen Rückschlüsse darauf ziehen, was in einer vollen Saison über 52 Spiele passiert. Man kann nicht nur auf Basis von ein oder zwei Spielen urteilen. Für mich geht es auch um das Gesamtwerk. Manche Spieler spielen eine Menge mehr als andere. Manche Spieler verdienen eine Menge Geld mehr als andere. Manche Spieler sind viel besser als andere. Manche Spieler erfüllen eine bestimmte Rolle. So ist es nunmal. Da spielen viele Parameter eine Rolle. Die Vergabe von Eiszeit hat nichts mit Demokratie zu tun. Das hat sie nie und wird sie nie. Man muss seine Bank gut nutzen. Lalonde und Syvret haben Chemie entwickelt und in Ingolstadt wirklich herausragend gut gespielt. Aber wer war nach dem Ausgleich die letzten 33 Sekunden auf dem Eis? Lüdemann und Ankert. Die haben einen herausragenden Job gemacht. Wir haben das Bully gewonnen und die Scheibe mit einem schönen kleinen Spielzug aus der eigenen Zone gebracht. So konnten wir den einen Punkt sichern und anschließend das Spiel noch gewinnen. Es kommt auf die jeweilige Situation im Spiel an. Ja, Lalonde und Syvret bündeln Offensive. Aber ich setze je nach Situation auch gerne Lüdemann und Ankert ein. Moritz Müller ist ein Stabilität gebender, solider Defensiv-Verteidiger. Er hat wegen unserer Ausfälle in der Defensive zeitweise Powerplay gespielt, und das hat er sehr gut gemacht. Aber wenn man Spieler wie Lalonde und Syvret hat, dann bekommen sie die Eiszeit, wenn sie gut spielen. Wenn sie im nächsten Spiel nicht so gut spielen, dann finden sie ihren Hintern aber auch länger auf der Bank.

Das kommunizieren Sie mit den Spielern auch so, sprich denen ist bewusst, dass sie sich ihre Eiszeit in jedem Spiel neu verdienen müssen?

Oh ja. Absolut. Das wissen sie. In Ingolstadt waren Lalonde und Syvret gut, deswegen haben sie viel gespielt. Das ging aber in der Menge auch nur, weil danach eine Pause war. Wäre das ein Freitagsspiel gewesen, dann muss man aufpassen, dass man noch genug Energie für das Spiel am Sonntag übrig behält. Man muss da klug haushalten. Und wenn man sogar ein Freitag-Sonntag-Dienstag-Spielwochenende hat, dann muss man mit den Eiszeiten nochmal anders umgehen. Manchmal muss man aber auch einfach am Drücker bleiben, um ein Spiel zu gewinnen, und darf noch nicht an das nächste Spiel denken.

Fredrik Eriksson und Alexander Sulzer werden beide nach der Pause zurück erwartet?

Hoffentlich, ja.

Wenn alle Verteidiger gesund sind, dann geht Max Faber ja sicher als erstes zurück nach Heilbronn –

Faber ist jetzt schon zurück in Heilbronn. Er trainiert und spielt da während der Pause. Wir können aber noch keine endgültige Entscheidung treffen, solange wir nicht sicher wissen, wann Eriksson und Sulzer wieder einsatzbereit sind.

Ohne Faber wären – wenn alle gesund sind – immer noch 8 Verteidiger im Kader. Heißt das automatisch, dass Zerressen fest als Stürmer eingeplant ist, solange Jones, Williams und Uvira fehlen? Ist er die beste Option?

Ich weiß es nicht. Das werden wir abwarten müssen. Natürlich fallen mir auch noch andere Möglichkeiten ein, aber dann muss man abwägen, wen man wie lange auf dem Eis haben möchte. Ein Stürmer in der vierten Reihe spielt zwischen fünf und elf Minuten. Wenn man also einen Verteidiger, der normalerweise 15 oder 16 Minuten spielt, als Stürmer mit nur sechs oder sieben Minuten Eiszeit einsetzt, dann ist die Frage, ob man ihn dann gut genug nutzt. Das muss man abwägen.

Bevor Sie nach Deutschland kamen, haben sie Aufzeichnungen der letzten Haie-Spiele gesehen. Inzwischen kennen Sie die einzelnen Spieler, ihre Stärken, Schwächen und Charaktere. Fällt ihre Analyse zum Team heute anders aus als das, was sie damals nach Sichtung der Videos dachten?

Ich glaube nicht. Manchmal ist es ganz hilfreich, manche Dinge zu ignorieren. Wenn ich ehrlich bin, war es auf der Busfahrt nach dem Spiel in München, als mir bewusst wurde, wieviel Arbeit hier tatsächlich auf mich zukommt. Man kann so viele Videos anschauen wie man will, aber erst wenn man hinter der Bande gestanden hat, kann man sich ein wirkliches Bild machen. Das München-Spiel hat zwar unter meiner Aufsicht stattgefunden, aber da kannte ich kaum die Namen und Nummern. Ich hatte die Aufzeichnungen der Spiele gegen Krefeld und Düsseldorf gesehen und fand, dass es eine Menge Dinge gab, die die Mannschaft hätte besser machen können. Warum sie diese Dinge nicht besser gemacht hat, hat mich nicht interessiert. Ich war mir sicher, wenn ich hier herkomme und genug Zeit habe, dass ich Dinge verändern kann. Wobei natürlich nicht so wirklich viel Zeit zur Verfügung stand. Ich glaube, meine Analyse würde heute nicht so viel anders ausfallen. Generell sind die meisten Spieler gute Leute. Man braucht ein bestimmtes Maß an Arbeitsmoral und Teamfähigkeit und man muss Anweisungen annehmen können, sonst schafft man es nicht bis auf ein solches Niveau. Es ist natürlich wichtig, dass ein Coach das fördert und die Spieler entsprechend führt. Motivation, Anpassungen, Coaching, Training – all diese Dinge, über die wir gesprochen haben. Das hier sind alles sehr gute Eishockeyspieler auf einem hohen Niveau. Wenn sie diese Qualitäten nicht irgendwo in sich hätten, dann hätten sie nicht Karrieren in diesem Sport gemacht und wären nicht hier. Es ging darum, diese Qualitäten wiederzubeleben und das Beste aus ihnen herauszuholen. Ich habe das früher schon geschafft. Ich war früher schon in solchen Situationen. Und es ist mir gelungen. Das hier ist mir also nicht neu. Neu war nur, so wenig Zeit zur Verfügung zu haben.

Dieses Team hat in der kurzen Zeit eine erstaunlich große Verwandlung durchgemacht. Früher habe ich in Interviews nach dem Spiel oft Sätze gehört wie „Wir hatten zu wenig Grit.“ oder „Wir waren nicht bereit.“, inzwischen höre ich Sätze wie „Wir waren uns sicher, dass wir das Ding noch drehen.“ oder „Wir hatten das Spiel im Griff.“ – Wieviel davon rechnen Sie sich an und wieviel davon resultiert aus dem Erfolg, den die Mannschaft aktuell hat?

Ich denke, das Wichtigste ist, dass die Jungs an das glauben, was wir hier machen. Wenn ich hier angekommen wäre und hätte ihnen irgendwelchen Bullshit erzählt, dann hätten sie das nicht gekauft. Ich glaube, ich habe ein gutes Spielverständnis und weiß, was getan werden muss. Ich mache das jetzt seit 21 Jahren. Ich hatte genauso Erfolge wie Misserfolge. Ich finde, man lernt von beidem. Und – wie gesagt – die meisten Spieler auf diesem Level haben Charakter und haben eine gute Arbeitsmoral. Ich glaube, ich als Coach habe ein gutes Spielverständnis, kann Spiele gut lesen, im Laufe eines Spiels Anpassungen vornehmen und kenne mich gut aus mit Spielsystemen und allen technischen und taktischen Dingen. Aber ich glaube, dass ich Spieler auch motivieren kann. Ich höre das gerade viel, dass sich die komplette Geisteshaltung und Einstellung der Mannschaft geändert hat. Die Leute sagen über die Mannschaft jetzt genau das Gegenteil über die Punkte, die vorher kritisiert wurden. Nach dem Augsburg-Spiel hat mir jemand erzählt, dass es lange her ist, dass die Mannschaft einen 3-Tore-Rückstand aufgeholt hat. War ich in dem Spiel damals sicher, dass wir das schaffen? Nein. Aber ich war sicher, dass wir es schaffen können, wenn wir uns an unseren Plan halten, weil ich weiß, wozu diese Mannschaft in der Lage ist. Der Druck, der auf uns lastet, war schon einer der Gründe für die schlechten Starts in die letzten Partien. Im Laufe der Spiele werden wir dann immer sicherer, weil wir realisiert hatten: Wisst ihr was? Lasst uns einfach unser Spiel spielen und füreinander spielen. Da gehört dann zum Beispiel auch sowas dazu wie Moritz‘ Fight gegen Stamler. Er ist für einen Teamkollegen eingestanden. Er hat der Mannschaft damit einen Energieschub gegeben. Es war die richtige Situation und der richtige Zeitpunkt. Das hat dazu geführt, dass wir angefangen haben, das Spiel zu drehen. Diese Mannschaft hat Charakter. Das sind gute Jungs. Ist jeder von denen aktuell auf dem Niveau, auf dem wir ihn brauchen? Nein. Vieles ist noch in der Entwicklung.

Wie erleben Sie selbst diese Wandlung in der Mannschaft?

Es ist natürlich schön zu sehen, dass sich die Arbeit lohnt. Aber wir stecken eben auch noch mittendrin. Wir sind noch lange nicht fertig. Wir müssen genauso weitermachen. Unglücklicherweise sind wir in einer Situation, in der uns dafür nicht viel Zeit bleibt. Aber es ist sehr positiv zu erleben, dass die Jungs wieder an sich glauben. Das ist für mich vielleicht das Schönste daran zu sehen, dass sie diesen Schalter umgelegt haben.

Das letzte Spiel in Krefeld sah allerdings sehr nach einem Rückfall in alte Zeiten aus. Zu viele Pässe, zu wenig direkter Zug zum Tor. Sind die schlechten Gewohnheiten doch schwerer abzulegen als gedacht?

Als erstes muss man sagen, dass Krefeld nicht gespielt hat wie ein Tabellenletzter. Die sind eine gute Mannschaft und haben gut gespielt. Für uns war das ein Abend, an dem wir mental eingeknickt sind. Das war irgendwann zu erwarten. Dafür gab es eine Menge Gründe. Diese Mannschaft hatte einen Trainerwechsel, muss neue Systeme lernen, bekommt eine Menge Druck in Spielen – es ist schwer, da im Kopf mitzuhalten. Das Training, was wir hier machen, ist kein normales Training für diesen Zeitpunkt in der Saison. Die Spieler müssen neue Übungen lernen und verstehen, was der Trainer will und warum er das will. Manchmal gehen die hier raus und haben den Kopf bis oben voll, weil sie so viele Information aufnehmen mussten. Ich glaube, dass wir im Krefeld-Spiel einfach mental müde waren. Das glaube ich wirklich. Und wenn man alte Gewohnheiten hat, dann kommen die in genau solchen Situationen zurück.

Sechs der letzten acht Hauptrundenspiele zuhause – ein Vorteil?

Es kann ein Vorteil sein, weil wir zwischen den Spielen besser ausruhen können, wenn wir nicht reisen müssen. Wir haben zuletzt so viel Zeit im Bus verbracht, dass ich mich gefühlt habe, als wäre ich zurück in der Western Hockey League. Wir müssen die Ruhepausen zu unserem Vorteil nutzen. Und wir müssen die Energie der Fans zu unserem Vorteil nutzen. Wir müssen diese Situation zu unserem Vorteil nutzen. Unsere letzten beiden Heimspiele waren sehr gut. Genau so müssen wir weitermachen und uns dabei nicht darum kümmern, wer unser Gegner ist.

Es hofft wohl niemand mehr auf einen Top-6-Platz, aber das Ziel ist schon, wenigstens Heimrecht in den Pre-Playoffs zu erreichen?

Wir konzentrieren uns nur auf nächsten Freitag.

Aus der Geschäftsstelle wurde kein Wunsch an Sie herangetragen, was die Platzierung angeht?

Nein, wir reden nicht miteinander. Die mögen mich da nicht besonders. (lacht) Aber Spaß beiseite, wir wollen es natürlich in die Playoffs schaffen. Und dann jeweils das nächste Spiel gewinnen.

Mark Mahon hat bei seinem Amtsantritt gesagt, dass er Sie ein bisschen besser kennenlernen und mit Ihnen über Ihre Pläne sprechen muss, bevor es eine Entscheidung darüber geben kann, ob Sie über diese Saison hinaus Headcoach der Kölner Haie bleiben. Hat dieses Gespräch schon stattgefunden?

Wir sprechen viel miteinander. Wir sprechen sogar sehr viel miteinander. Ich mache schon Witze darüber, dass ich mit ihm mehr spreche als mit meiner Familie.

Hat er Sie denn schon gefragt, ob Sie sich vorstellen können, weiter in Köln zu bleiben?

Ja, er hat mich gefragt. Und ich habe geantwortet, dass ich sehr gerne bleiben würde. Aber ganz ehrlich, darauf liegt mein Fokus im Moment nicht. Wir sprechen natürlich über die diesjährigen Spieler und über Spieler für die kommende Saison. Das ist mein Job als Coach, ihm meine Einschätzung zu geben. Er sieht sich in Nordamerika gerade ein paar Spieler an, die ich trainiert habe oder gegen die wir gespielt haben. Ich habe ihm geraten, ein Auge auf bestimmte Spieler zu haben. Dieser Club hier ist mein aktueller Arbeitgeber, also gehört ihm meine Loyalität. Ich möchte gerne in jeder Hinsicht helfen – ob es nun für diese Saison oder für nächste Saison ist.

Ist es nicht ein bisschen früh für Sie, eine solche Entscheidung zu treffen? Sie sind ja gerade mal drei Wochen hier.

Die Zusammenarbeit mit Mark genieße ich sehr. Er ist ein guter Kommunikator. Er unterstützt mich, er kennt sich sehr gut aus, ist gut organisiert – das sind alles Dinge, die man in seiner Position braucht, finde ich. Er kennt das Spiel. Er hat Verbindungen hier und in Nordamerika. Mit ihm zu arbeiten, ist durchweg positiv. Ich glaube, wir denken in die gleiche Richtung in Bezug darauf, was diese Mannschaft braucht, was ihre Stärken und Schwächen sind.

Wie steht Ihre Familie zu der Idee, nach Köln zu ziehen?

Sie kommen am Samstag hier an. Natürlich haben wir darüber gesprochen. Noch nicht sehr ausführlich, aber wir haben darüber gesprochen. Mir gefällt es hier. Ich glaube, dass es ihnen hier auch gefallen wird.

Wir bedanken uns bei Cory Clouston für das Interview!

Über den Autor: Henrike Wöbking

Henrike schreibt für haimspiel.de seit 2005 und wurde von Ex-NHL-Spieler Jason Marshall gelobt für "the best interview I ever did". Sie zeigte sich hauptverantwortlich für das Abschiedsvideo von Dave McLlwain. Außerdem ist sie Buchautorin und schrieb den Roman "Auf Eis" vor dem Hintergrund der Playoffs 2002.

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